Eher Pragmatiker als Visionäre

TRIER. Sieh an, sie können doch miteinander: Höflich in der Form, argumentativ in der Sache zeigten sich die OB-Kandidaten Ulrich Holkenbrink und Klaus Jensen beim ersten TV-Expertenforum. Bislang hatte CDU-Kandidat Holkenbrink persönliche Debattenvergleiche mit seinem von SPD und Grünen unterstützten Konkurrenten weitgehend vermieden.

Vielleicht sorgte die lähmende Hitzewelle für das Ausbleiben allzu hitziger Diskussionen. Es könnte aber auch am Thema gelegen haben: Bei Kultur und Tourismus zeigten sich bei beiden Bewerbern unterm Strich mehr inhaltliche Gemeinsamkeiten als grundlegende Unterschiede. Nach seiner grundsätzlichen Philosophie in Sachen Kultur gefragt, zitierte Klaus Jensen das Matthäus-Evangelium: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein", das habe auch Konsequenzen für die Kommunalpolitik. Der Angebotskultur, mit der man Leute in die Stadt locke, stehe gleichgewichtig die Zielsetzung gegenüber, die Trierer selbst "immer wieder mit neuer Kultur zu konfrontieren".Jensen: "Es geht nicht nur darum, große Kultur in die Stadt zu holen, es geht auch darum, die Menschen vor Ort einzubinden." Ulrich Holkenbrink betonte deutlich stärker die Rolle der Kultur als Anziehungspunkt für die "Kulturstadt Trier". Die Kultur locke Menschen in die Stadt, sei ein wichtiger "weicher Standortfaktor", auch bei Ansiedlungsentscheidungen von Unternehmen. Man sei in Trier zu Recht stolz auf die eigenen Ideen.Martin Folz wollte es nicht bei allgemeinen Formulierungen belassen. "Was kann man tun, um die von Kulturminister Zöllner angeregte stärkere Förderung von Kinder- und Jugendkultur in Trier umzusetzen?", wollte er wissen. Kandidat Holkenbrink wies auf die erweiterten theaterpädagogischen Aktivitäten am Trierer Theater hin.Holkenbrink: "Unsere Attraktivität muss weiter gesteigert werden, zusammen mit der Großregion." Auch das Orchester gehe in Eigeninitiative immer stärker dazu über, seine Arbeit direkt an Schulen vorzustellen. Dazu komme das neue Gebäude für die städtische Musikschule, die "aktive Nachwuchsarbeit" ermögliche. Klaus Jensen regte an, über die offiziellen Kultur-Institutionen hinaus zu denken. "Warum nicht mal mit Klassik ins Exhaus?", schlug er vor. Jugendliche könne man auch ansprechen, indem man Kultur "in die Stadtteile hineinträgt". Aus der Nachwuchsfrage entspann sich eine Grundsatz-Debatte, als Martin Folz nach dem Verbleib des "Kulturrates" fragte, der vor wenigen Jahren unter der Dachmarke "antike.aktuell" zwecks besserer Koordinierung und Strukturierung des Trierer Kulturangebotes einberufen worden sei. Jensen griff die Kritik am Kulturdezernenten dankbar auf und bekundete, er vermisse "ein klares kulturpolitisches Profil", auch angesichts der Entwicklung in Luxemburg. Es gebe ein Sammelsurium von Angeboten, aber es sei versäumt worden, "Entscheidungen zu treffen, worauf man sich konzentriert". Die Koordination sei mangelhaft, worunter vor allem die kleineren, ehrenamtlich organisierten Anbieter litten. Ulrich Holkenbrink konterte mit einem Lob auf die "wunderbar aktive lokale Szene", die "keine Konkurrenz zu fürchten braucht". Trier könne "selbst den eigenen Stellenwert bestimmen" und brauche keine Angst vor Luxemburg zu haben. Furcht um die Zukunft der Antikenfestspiele trieb Manfred Helbach um. Das einstige Renommier-Festival habe sich zu einem "regionalen Ereignis" reduziert, während etwa die Nibelungenspiele in Worms dank großzügiger öffentlicher Förderung bundesweit reüssierten. So kritisch mochte es Ulrich Holkenbink nicht sehen. Die Antikenfestspiele seien "nach wie vor sehr erfolgreich" und würden "von der ganzen Region unterstützt". Es sei dennoch sinnvoll, in Zukunft wieder "verstärkt die große Oper in den Mittelpunkt zu stellen" und die Spiele "auf große Zugnummern auszurichten". Klaus Jensen schlug deutlich andere Töne an.Jensen: "Nicht nur die Eintracht ist abgestiegen, auch die Antikenfestspiele." Die Festspiele seien "am Scheideweg", man müsse sich entscheiden, "ob wir sie richtig wollen oder gar nicht". Unter breiter Beteiligung solle ein zukunftsträchtiges Konzept entwickelt werden, und dann müsse man über die Finanzierungsfragen reden. Eine Stelle, an der Experte Ronald Frank anknüpfte. Während anderswo die Kommunen viel Geld in Kultur investierten und diesen Sektor "als Investition und Wertschöpfung begreifen, die sich refinanziert", werde in Trier geknausert. Vor allem fehle es an Budgets, um die Premium-Veranstaltungen bundesweit bekannt zu machen. Dem gegenüber verwies Ulrich Holkenbrink auf die Haushaltslage der Stadt, die keine großen Sprünge zulasse. Die Aufsichtsbehörde würde sonst die Haushalte gar nicht genehmigen. Abhilfe sei nur zu schaffen, wenn man Unternehmen verstärkt davon überzeuge, Geld in die Kultur zu investieren. Holkenbrink: "Geld zu drucken ist selbst dem Oberbürgermeister verboten." Darüber hinaus müsse man über "Synergie-Effekte" nachdenken, etwa durch eine regionale Kultur-Agentur. Prompt fragte der mit einschlägigen Erfahrungen ausgestattete Hermann Lewen nach, wo denn eine solche Agentur oder ein Koordinationsforum angesiedelt sein sollten. Die Antwort blieb allerdings aus. Klaus Jensen wunderte sich derweil, "dass es so etwas nicht längst gibt". Als ersten Schritt eines möglichen OB Jensen kündigte er an, eine Art "Kulturrat" einzurichten, zunächst "in den eigenen Reihen", dann unter Einbeziehung der Region. Nach dem "Abarbeiten" der Kulturthemen wollte es Tourismus-Experte Martin Fontanari genau wissen. Was denn "die drei obersten konkreten tourismuspolitischen Zielsetzungen" seien. Klaus Jensen legte sich ohne Zögern fest: Trier müsse "als Weinstadt besser profiliert werden", die Mosel müsse wieder stärker für die Stadt zugänglich gemacht und der Tempelbezirk "als Schub für das antike Trier" erschlossen werden. Letztere Forderung machte sich auch Ulrich Holkenbrink zu eigen, um als weitere Prioritäten den "stärkeren Zusammenschluss mit Gremien außerhalb der Stadt" sowie eine weitere Steigerung der Besucherzahlen zu nennen. Das war Martin Fontanari und Ronald Frank nicht visionär genug. Wo denn bei beiden "der große Wurf" bleibe, das "Neue und Innovative", die substanzielle Aufbesserung des Images der Stadt, die nach einer aktuellen Umfrage unter deutschen Unternehmern als biederes Seniorenziel, provinziell und weitab vom Schuss eingestuft werde. Da verwies Ulrich Holkenbrink auf konkrete Einzelschritte. Verkehrsanbindungen seien wichtig, Kooperation mit der Bahn und den Flughäfen der Großregion, bessere Messebetreuung. Investoren müsse man einen "Wettbewerb der Köpfe" bieten, mit der Universität als "kultureller Querschnitt-Einrichtung". Jensen: "Meine Vision ist eine Stadt, die von ihren Bürgerinnen und Bürgern gestaltet wird, und bei der der OB das Management übernimmt." "Den großen Wurf schaffen wir nur, wenn wir uns begrenzen", postulierte Kontrahent Jensen. Unter Beteiligung der Bürger müssten "Entscheidungen getroffen werden, worauf wir uns nach dem Konstantin-Jahr konzentrieren, damit wir nicht in ein Loch fallen". Der künftige OB, so seine Vision, habe die Aufgabe, die Bürgervorstellungen in konkrete Projekte zu gießen und die Umsetzung zu managen.Holkenbrink: "100 000 Einwohner - in dieser Vision steckt schon alles drin." Auch Ulrich Holkenbrink wurde nach seiner Vision als OB gefragt. Er nahm Bezug auf die Zielsetzung der Stadt, die Einwohnerzahl zu halten oder trotz demografischer Verluste noch zu steigern. Wenn es gelinge, Trier weiter wachsen zu lassen, seien auch alle anderen Probleme der Stadt lösbar.

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