Ein Begriff, viele Facetten

TRIER. Familiengerechtigkeit und Generationengerechtigkeit, Gerechtigkeit in Politik, Wirtschaft und der Kirche: Das Thema Gerechtigkeit, um das es im Sammelband des Trierer Bischofs zum Katholikentag im Mai geht, hat viele Facetten. Das wurde bei der unterhaltsamen Buchvorstellung am Montagabend in Trier deutlich.

"Der Katholikentag in Saarbrücken wird ein Erfolg, weil...", beginnt Moderator Christian Otterbach einen Satz und bittet Bischof Reinhard Marx, ihn zu vervollständigen. "...die Saarländer gut drauf sind", sagt dieser spontan. Im Vordergrund des kirchlichen Großereignisses von 24. bis 28. Mai steht allerdings nicht die Mentalität der Saarländer, sondern ein Thema, um das es auch an diesem Abend in der Trierer Buchhandlung Interbook geht: "Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht." So lautet das Leitwort des Katholikentags, und so heißt auch der Sammelband, den der Trierer Bischof zur Vorbereitung der Veranstaltung herausgegeben hat und nun vor mehr als 100 Menschen vorstellt. 22 Autoren äußern sich darin zum Thema Gerechtigkeit. Beim Interview mit Otterbach, Journalist beim Saarländischen Rundfunk, spricht Bischof Marx über Gerechtigkeit als Kriterium der Politik. "Die Kirche hat keine Patentrezepte, aber sie kann helfen, Ziele zu formulieren." Er plädiert für Generationengerechtigkeit und bessere Rahmenbedingungen für Familien. "Wir haben kein Alten-Problem. Uns fehlen Kinder!" Auch Gerechtigkeit in der Wirtschaft ist bei dem Interview ein Thema. "Ich habe Angst vor einem primitiven Kapitalismus", sagt der Bischof. Es dürfe nicht nur der Profit zählen, während Entlassungen von Menschen keine Rolle spielten. "Wenn es so weiter geht, wird das System an die Wand fahren", lautet seine düstere Prognose. Und es geht schließlich auch um Gerechtigkeit in der Kirche selbst. Absolute Gerechtigkeit sei auch dort nicht möglich, sagt Marx. Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Sparkurs des Bistums beispielsweise würden bisweilen als ungerecht empfunden. Ungerecht sei aber auch, auf Kosten nachfolgender Generationen Schulden zu machen. "Ich kann ja nicht, wie Jesus aus Wasser Wein gemacht hat, in den Bischofshof gehen und Steine in Geld verwandeln." Moderator Otterbach konterte: "Wie - das machen Sie nicht?" Und der Bischof setzt noch einen drauf: "Ich habe es allerdings auch noch nie ausprobiert! Aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass Gott mir diese Gabe gegeben hat." Bischof Reinhard Marx (Hrsg.): Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht. Worte, die weiterführen. Herder-Verlag, 120 Seiten, 3,95 Euro.

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