Ein Hauch von Weltstadt

Eine Stadt im Dauer-Fieber: Das galt vom Frühsommer bis zum späten Herbst 1984 in Trier. Mit Hunderten von Veranstaltungen beging man das Gründungs-Jubiläum und empfing Millionen von Besuchern zur 2000-Jahr-Feier. Man brachte zum Geburtstag alles auf Vordermann — und zelebrierte sich selbst.

 Spezielles Nummernschild für den Dienstwagen: Richard Groß, Ex-Landrat des Kreises Trier-Saarburg (links), und Triers ehemaliger Oberbürgermeister Felix Zimmermann.Foto: Stadtarchiv Trier, Bildsammlung 1

Spezielles Nummernschild für den Dienstwagen: Richard Groß, Ex-Landrat des Kreises Trier-Saarburg (links), und Triers ehemaliger Oberbürgermeister Felix Zimmermann.Foto: Stadtarchiv Trier, Bildsammlung 1

Trier. Wenn schon, dann richtig: "Die Weltstadt Trier feierte", titelte der Trierische Volksfreund am 28. Mai, dem Tag nach der offiziellen Eröffnung der Festivitäten zur 2000-Jahr-Feier. Und zwar gänzlich ironiefrei. Unter Weltstadt tat man's nicht, angesichts der überbordenden Jubiläums-Euphorie, die die Stadt und das Umland ergriffen hatte.

Es war aber auch echt was los: Zur Eröffnung hatte Bundespräsident Karl Carstens der Stadt seine Aufwartung gemacht und Trier zur "Geburtsstätte abendländischer Kultur" geadelt. Top-Wissenschaftler aus aller Welt trafen sich zu einer Festakademie in der Europahalle, die Franzosen ließen ihre legendäre Militärstaffel "Garde Républicaine" erstmals außerhalb der Landesgrenzen auftreten, die Unesco schickte ihren Generaldirektor.

Zehntausende bevölkerten die Stadt, um die Veranstaltungen auf dem Hauptmarkt, im Dom oder vor der Porta zu verfolgen. Die Bundespost brachte eine Sonder-Briefmarke mit der Porta heraus, Fernsehsender aus aller Welt entsandten ihre Kamerateams. Kurzum: Trier stand endlich einmal so im Blickpunkt, wie es die Stadt nach Meinung der Trierer längst verdient hatte.

Freilich hatte man auch alles getan, um sich für das Defilee der Welt herauszuputzen. Fast fünf Jahre lang brachte eine Vorbereitungstruppe um OB Zimmermann, Wirtschaftsdezernent Schröer und Kulturdezernent Blankenburg die Stadt auf Vordermann. Von schmerzhaften Diskussionen begleitet, hatte man den Busverkehr aus der Fußgängerzone hinaus verlegt, für die Innenstadt ein neues "Altstadtfest" erfunden und die Umgestaltung der städtischen Plätze von Auto-Friedhöfen zu City-Oasen in die Wege geleitet.

Nicht alle Trierer von Anfang an begeistert



Übrigens nicht immer zur ungeteilten Begeisterung der Einheimischen. Die Gestaltung des Basilika-Vorplatzes durch die Quadrate-Ästhetik des berühmten Architekten Oswald Matthias Ungers quittierte mancher Ur-Trierer mit dem bösen Wort vom "Truppen-Aufmarschgelände". Wie überhaupt manche Veränderungen dem Beharrungswillen der Ur-Trierer zuwiderliefen. Da war vielen der neue Petrusbrunnen-Anstrich entschieden zu bunt oder das grandiose 2000-Jahr-Signet des legendären Grafikers Celestino Piatti zu poppig. Das kritische Stadtmagazin "Tabula Rasa" machte gar "viel Aufgebauschtes und überdimensional Hochgelobtes" aus.

Im Nachhinein betrachtet, bewiesen allerdings die Optimisten mehr Weitsicht als die Skeptiker. In zentralen Punkten prägte 1984 die Entwicklung der Stadt in den Folgejahren. Dazu gehörte der Durchbruch in neue Dimensionen bei den Besucher- und Übernachtungszahlen, der sich 1985 sogar noch stärker zeigte als im Jubiläumsjahr selbst — und der in eine dauerhafte Steigerung beim Tourismus mündete.

Aber der gewachsene Stolz auf das eigene antike Erbe schaffte bei vielen Trierern auch ein verändertes Bewusstsein im Umgang mit den römischen Stätten. Es gab Großveranstaltungen im Amphitheater, die die spätere Idee von Antikenfestspielen überhaupt erst ermöglichten. Wo einst Gladiatoren und Raubtiere kämpften, ertönte Beethovens Neunte - oder Kuriositäten wie das Klang-Konzert des zeitgenössischen Künstlers hpl liemanns.

Derweil hatte der listige Direktor des Landesmuseums, Heinz Cüppers, die Gelegenheit ergriffen und in einer Art Husarenstreich die Teil-Rekonstruktion der Kaiserthermen durchgesetzt — gegen teils heftige Kritik der Gralshüter. So wurde aus der Ruine ein brauchbares Denkmal.

Ähnlich erging es der seit Jahren vor sich hingammelnden ehemaligen Textilfabrik an der Wechselstraße. Weil man für die 2000-Jahrfeier dringend einen Ausstellungsraum benötigte, wurde sie reaktiviert. Nach deren Ende überredeten Zimmermann und Blankenburg den Stadtrat, sein Plazet für die Umwandlung der Tuchfabrik in ein Zentrum für Alternativ-Kultur zu geben.

Doch auch die etablierte Kultur ließ sich nicht lumpen. Das Theater servierte eine mit Stars gespickte Jubiläums-Saison, überzog dabei aber kräftig das vorgesehene Budget. Die einheimischen Chöre liefen mit spektakulären Gästen zur Hochform auf, ja sogar die Trierer Eintracht reihte sich mit einem Freundschaftsspiel gegen Kaiserslautern ins Fest-Programm ein.

Halb Deutschland kam zum Konferieren nach Trier

 Prominenz vor dem Dom (von links): Bernard Vogel, Karl Carstens, Felix Zimmermann bei der 2000-Jahr-Feier. Foto: Stadtarchiv Trier, Bildsammlung 1

Prominenz vor dem Dom (von links): Bernard Vogel, Karl Carstens, Felix Zimmermann bei der 2000-Jahr-Feier. Foto: Stadtarchiv Trier, Bildsammlung 1

 Die Kaiserthermen, Trier. Foto: Stadtarchiv Trier

Die Kaiserthermen, Trier. Foto: Stadtarchiv Trier



Kaum mehr zählen ließen sich die Jahrestagungen und Konferenzen großer Verbände, die sich Trier im Sommer 1984 als Zielort ausgesucht hatten. Vom ADAC und dem Verband der katholischen Presse über den Malteser-Hilfsdienst und den Deutschen Sportbund bis zum Deutschen Bühnenverein und dem Schulgeografen-Tag reichte das Spektrum von Organisationen, die der "Kongressstadt Trier" neue Impulse verliehen.

Nach mehreren Großkampf-Monaten waren die Macher rechtschaffen erschöpft. "An manchen Tagen überlege ich, ob ich nicht bis Silvester in meinem Bett bleiben soll", bekundete Kulturdezernent Blankenburg damals in einem Interview. Noch heute wundert er sich, "wie wir das alles in Eigenregie geschafft haben, ganz ohne Werbe-Agenturen und Eventmanager".

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