Ein Kloster als Spielzimmer

TRIER. 200 Jahre, sieben Generationen: Die Familie von Nell hat die Geschichte Triers geprägt. Am Sonntag startet der angesehene Weinbaubetrieb eine Reihe von Veranstaltungen zum Jubiläumsjahr. Der Trierische Volksfreund wirft einen Blick in die Vergangenheit.

Sich imWohnzimmer von Georg Fritz von Nell und seiner Frau Hildegardunbeobachtet zu fühlen, ist kaum möglich. Von allen Wändenblicken die Vorfahren der berühmten Familie, in Öl gemalt, aufdie Anwesenden herab. "Es sind nicht alle", gibt der 69-Jährigezu. Angesichts des reichen Kindersegens, der zeitweise in derDynastie von Nell herrschte, wäre dazu auch ein ganzes Museumnotwendig. 190 000 Goldmark für 250 Hektar Land

Der Seniorchef des renommierten Weingutes bei Olewig kann zu jedem Portrait eine Geschichte erzählen. Zum Beispiel zu Christoph Philipp Bernhard Hugo von Nell, der, aus einer wohlhabenden Holzflößerfamilie stammend, 1803 die von Napoleon enteigneten Benediktiner-Güter ersteigerte. 190 000 Goldmark, eine gewaltige Summe, waren damals dafür aufzubringen. Der Vorfahre, der damit die Weinbau-Dynastie von Nell begründete, erhielt dafür 2500 Hektar Land. Die Ländereien reichten von der Pfalzeler Brücke bis Lamberts Garten, umfassten die heutige Abtei St. Matthias mit ihren Ländereien, den Schammat und Mariahof.

Domkanonikus Niklas von Nell, der Bruder von Christoph, bewirtschaftete im Norden der Stadt Nells Ländchen, von dem der Name des Parks geblieben ist. "Das war Sumpfgelände, das erst urbar gemacht werden musste", erzählt Georg Fritz von Nell. "Mit einer Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für viele Menschen wurde dabei auch der Park geschaffen." Erst in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verkaufte die Familie notgedrungen an die Stadt Trier, die den Park nach dem Krieg ausbaute und für die Öffentlichkeit zugänglich machte.

Den jetzigen Sitz des Weingutes im Tiergartental hatten die von Nells 1830 gekauft. Doch bis die Familie dorthin zog, sollten noch 117 Jahre wechselvoller Geschichte vergehen, in denen der riesige Besitz wegen der zahlreichen Erben, Kriegswirren und Weltwirtschaftskrise immer weiter schrumpfte.

Ein Name unter den vielen derer von Nell sticht besonders hervor: Oswald von Nell-Breuning. Der wohl bedeutendste Theoretiker der katholischen Soziallehre wurde 1890 in St. Matthias geboren. "Damals lebten zeitweise nur drei Menschen in dem riesigen Anwesen", sagt Neffe Georg Fritz, der den großzügigen Wohnsitz mit "wunderschöner Kellerei" und Ställen mit Kreuzgewölben selbst nicht mehr erlebte. Denn 1930 fiel die Abtei an den Benediktiner-Orden zurück. 1931 zog die Großfamilie mit dem strengen Familienoberhaupt auf das Gut Mariahof, das sie bis 1947 bewirtschaftete, bevor es von den Franzosen zwangsverpachtet wurde. "Die Stadt hat das Gut mit seinen Ländereien 1959 zu einem eher symbolischen Preis gekauft", erzählt Georg Fritz nicht ohne Bedauern. Andere große Gebiete aus Nellschem Besitz waren schon Jahre und Jahrzehnte davor als Militärgelände eingezogen worden.

Als die Familie 1947 ins Tiergartental zog, lag die dem Schloss Monaise nachempfundene Villa bereits drei Jahre in Schutt und Asche ("Den Rest haben wir schnell eingerissen, damit niemand auf die Idee kam, das wieder aufzubauen"). Der Grundbesitz der Familie betrug nun noch etwa 20 Hektar. "Die Weinberge waren ziemlich kaputt", erinnert sich der Seniorchef, "überall Bombentrichter, und die Pfähle waren verheizt."

Es folgten Jahre des Aufbaus. Georg Fritz von Nell übernahm den Betrieb 1958. Schon ein Jahr später führte er die Vereinigung Olewiger Winzer, was 33 Jahre so bleiben sollte.

"Wir haben in wenigen Jahren viel aufgebaut", sagt von Nell im Rückblick und erzählt im gleichen Atemzug von seiner "schwärzesten Stunde", der Silvesternacht 1979, als alle Weinstöcke im Tiergartental erfroren. "Die Weinstube hat uns vor dem Ruin gerettet, das tut sie heute noch", sagt der Unruheständler, der vor allem bei der Sektherstellung im Weingut die Oberhand behalten hat. Es sei die Idee seiner Frau gewesen, den Stall 1975 zur Stube umzubauen, gibt er unumwunden zu.

Qualität statt Quantität

Ölgemälde von Hildegard und Georg Fritz von Nell gibt es bereits, wie der Senior mit einem Augenzwinkern zugibt. In die Galerie der Ahnen einreihen wolle er sie aber noch nicht.

Die Bewirtschaftung des Weinguts hat derweil seit zehn Jahren Sohn Fritz inne, Gemeinsam mit seiner Frau Evi setzt er bei der Weinherstellung ganz auf die Philosophie des Vaters: Qualität statt Quantität. Zahlreiche Preise geben dem Recht.

"Wir wollen vor allem auch mehr junge Leute ansprechen", sagt Fritz von Nell. Gelegenheit dazu gibt es am Sonntag ab 14 Uhr im Weingut von Nell bei der Vorstellung des Jahrgangs 2002. Für Kinder wird ein spezielles Programm geboten. Um 18 Uhr referiert Günther Molz in der neu umgebauten Kelterhalle über die Geschichte der Familie von Nell.

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