Ein Kussmund heißt "Bitte”

TRIER. Sie sitzen in einem Raum, gestikulieren, schütteln den Kopf, nicken und haben ein ausgeprägtes Mienenspiel. Zehn Studentinnen wollen Gebärdensprache lernen und nehmen daher an einem Anfängerkurs der Vereinigung zur Förderung Hörgeschädigter Trier teil.

Für Hörende mag es sich um willkürliche Handzeichen handeln, für Hörgeschädigte ist die Gebärdensprache ein logisch aufgebautes Kommunikationskonzept, das die Lautsprache visualisiert. Erste Fragezeichen, die sich mit der Gebärdensprache ergeben, wurden in einem Kompaktkurs im Anna-Limbourg-Haus gelöst.Der Kurs verläuft leise, aber nicht schweigsam. Kursleiterin Doris Willems, selbst schwerhörig, begrüßt die Teilnehmer mit winkenden Händen und einem stummen "Hallo!”. Mit viel schauspielerischem und pantomimischem Geschick bringt sie ihnen bereits am ersten Abend das Fingeralphabet bei. Jeder Buchstabe des Alphabets entspricht einem Zeichen, das mit der Hand dargestellt werden kann.So zeigt beim Buchstaben "T” der Zeigefinger der rechten Hand nach links und die Spitze des Daumens ragt über dem Zeigefinger nach oben - ein "V” symbolisieren die nach oben gestreckten und auseinandergespreizten Zeige- und Mittelfinger. Zum Schluss der Lektion kann jeder seinen eigenen Namen "gebärden”."Essen” zählt zu den transparenten Gebärden

Doch der Kurs vermittelt nicht nur Kennenlern-Floskeln etwa "Wie geht's?” oder "Wo wohnst Du?”, sondern bringt Grundlagen dieser visuellen Sprache näher. So lassen sich Gebärden in transparente, halbtransparente und nichttransparente Zeichen einteilen. Zu den transparenten Gebärden zählt das Wort "essen”. Dabei berühren sich die Fingerspitzen einer Hand und werden zum Mund geführt.Aber nicht nur Bewegungen "sprechen”. Auch auf die Mimik kommt es an. Das Mundbild - die stimmlose Aussprache von Wörtern - ist oft ein Schlüssel in Gesprächen zwischen Gehörlosen und Hörenden. Manchmal kommt es jedoch auch auf die Mundgestik an. So muss man zum Wort "merkwürdig" das Zeichen zeigen und gleichzeitig den Laut "pfff” mit dem entsprechenden Ausdruck von sich geben. In diesem Zusammenhang spielt auch die Satzmimik eine bedeutende Rolle.Bei Fragen sollen die Augenbrauen hoch-, bei Befehlen zusammengezogen werden. Genauso werden Zustimmung und Verneinung entsprechend mit Kopfbewegungen kommentiert, während sich bei einer Bitte der Mund zu einem "Kussmund” formt und die Handoberfläche dabei über die Wange streichelt. Doch nicht nur die Gebärdensprache selbst steht auf dem Lehrplan, sondern auch der Umgang mit hörgeschädigten Menschen. Der Blickkontakt ist immens wichtig! Tische müssen frei von sperrigen Gegenständen wie Vasen oder hohen Flaschen sein, Räume sollten hell, Tische rund sein. Doch es gibt sogar technische Hilfsmittel. Doris Willems führt sie vor: etwa das Schreibtelefon oder das Telefax, aber auch optische Klingelanlagen, die hell aufblitzen, wenn es an der Tür schellt, oder der Vibrationswecker, der unter dem Kopfkissen vibriert."Immer wieder kleine Erfolgsergebnisse"

Schließlich aber kann jeder Teilnehmer bereits erste Dialoge "gebärden”. Nach kurzer Zeit können sich alle mit Namen vorstellen, nach dem Befinden, Wohnort, Familienstatus, Alter und Hobbies fragen oder über das Wetter plaudern. Der Kurs hat so manche beeindruckt. "Ich möchte in nächster Zeit ein Praktikum in einer Gehörlosenschule machen”, sagt Christina Buchmann (23). "Dann kenne ich wenigstens schon die ersten Floskeln.”Auch Stefanie Hunger (25) meint: "Es ist schön, sich mit den Gehörlosen in ihrer Sprache verständigen zu können." Ana Schomerus (21) dagegen findet es faszinierend, "immer wieder kleine Erfolgserlebnisse zu haben”. Und damit keiner aus der Routine kommt, wird nun das Gebärdensprachcafé im Anna-Limbourg-Haus, In der Olk 23, eröffnet. Hier treffen sich alle zwei Monate Gehörlose und Hörende, um miteinander zu "gebärden".Infos: Vereinigung zur Förderung Hörgeschädigter Trier e.V., Telefon: 0651/9 944 085.

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