Ein Leisetreter war sie nie

Das nach TV und Paulinus dienstälteste Zeitungsprodukt in Trier stellt endgültig sein Erscheinen ein: Die "Katz", einst blühendes Stadtmagazin, später als Jahrbuch in Erscheinung getreten, hat zum letzten Mal ihre Krallen gewetzt.

 Katz-Mitgründer Helmut Schwickerath mit einem Exemplar der letzten Ausgabe seiner Zeitung. TV-Foto: Dieter Lintz

Katz-Mitgründer Helmut Schwickerath mit einem Exemplar der letzten Ausgabe seiner Zeitung. TV-Foto: Dieter Lintz

Trier. Die Wehmut am Ende war nur leise spürbar. Keine salbungsvollen Worte, keine große Inszenierung, als Katz-Chef Helmut Schwickerath ein letztes Mal zum "Tag der Rute" in die Tufa einlud. Wo einst am Nikolaustag in feierlichem Zeremoniell die Großen und Wichtigen der Stadt gegeißelt wurden, überreichte man eher still das letzte Katz-Exemplar. "Viel Spaß, für dieses Jahr - und überhaupt", sagte der Veteran der alternativen Presselandschaft. Erst als die "Wengert Stompers" den Takt auf dem letzten Weg der Katz schlugen, wurde es so laut und deftig, wie es der soeben Verblichenen angemessen war.Denn ein Leisetreter war die Katz in den 28 Jahren ihrer Existenz nie. 1979 an der Uni aus Frust über den seinerzeitigen TV gegründet, übernahm die "Kleine Andere Trierer Zeitung" lange Jahre die Aufgabe, als Monatsmagazin über all das zu berichten, was die Tageszeitung verschwieg. Echte und vermeintliche Skandale, Verfehlungen von Oberbürgermeistern, Bischöfen, Unternehmenschefs, kurzum: all das, was man als investigativen Journalismus betrachtet, machte die Katz zu ihrer Angelegenheit. Bisweilen exzellent recherchiert, oft gnadenlos polemisch, bekennend einseitig, mit Mut zu allem - auch zur Peinlichkeit. Und nicht zuletzt als Durchlauferhitzer für spätere Medienkarrieren.

Kleine Auflage, große Wirkung

Obwohl ihre Auflage nie ernsthaften Grund zur Beunruhigung lieferte, war ihr Einfluss zeitweise beachtlich. Im Rathaus, Generalvikariat oder manchen Vorstandsetagen hätte man sich eher die Zunge abgebissen, als über die Katz zu reden - gelesen wurde sie trotzdem. Manchmal, wie beim Romika-Skandal, lieferte sie sogar Stoff, der überregionale Aufmerksamkeit erzielte.

Neben ihrer Aufklärungs-Rolle war das Szene-Blatt aber auch eine Diskussionsplattform in Zeiten, da Trier mit den üblichen zehn Jahren Verspätung die 68er-Zeit nachholte. Frauen-, Friedens- und Anti-Atombewegung fanden hier ein Forum. Häufig missverstanden sie die Katz auch als ihr Zentralorgan, wogegen sich das renitente Wesen heftig wehrte. Die Redaktion, eher Kater als Katze, ging Konflikten ungern aus dem Weg, am wenigsten in den "eigenen" Reihen. Gelegentlich wurden seitenweise interne Streitigkeiten im Blatt ausgetragen, und es konnte auch schon mal vorkommen, dass eine kratzbürstige Emanzengruppe das Katz-Büro kurzerhand besetzte, um frauenfeindliche Artikel oder gar Abbildungen zu verhindern.

Weil bei der Katz immer alles ehrenamtlich passierte, stand sie ein übers andere Mal auf der Kippe. Ende der 90er Jahre wurde sie als Monatsmagazin eingeschläfert, kam aber als Jahrbuch wieder. Noch kratziger als zuvor. Es las sich manchmal so, als seien aus den jungen Wilden von einst bittere Alte geworden. Der TV hatte inzwischen begonnen, über Skandale selbst zu berichten, so dass der größte Reibungspunkt entfiel. Talentierte Nachwuchsschreiber versuchen sich heute eher als Weblogger. "Internet killed the stadtmagazin" heißt es in der finalen Ausgabe lakonisch.

Zum Finale in der Tufa waren sie noch mal da, die langjährigen Wegbegleiter: Der Medizin-Rebell Dr. Binz, die Kunst-Rebellen KD Kallenbach und Edward Naujoks, einstiger Polit-Rebell Reiner Marz, der Theater-Rebell Karl-Heinz Heil. Für sie war die Katz ein wichtiges Stück Öffentlichkeit. Aber die Zeiten sind hart für Rebellen. Und Stadtmagazine so zeitgeistig wie Schreibmaschinen.

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