Ein Preis gegen das Vergessen

Trier · Erstmals hat die Trierer Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit den Kreutzer-Voremberg-Preis verliehen. Ausgezeichnet wurden Schülerarbeiten, die zur Christlich-Jüdischen Verständigung beitragen: Pauline Thielen setzte sich mit dem Projekt Stolpersteine auseinander, Manuel Beh mit der Vergangenheit des Humboldt-Gymnasiums (HGT).

Ein Preis gegen das Vergessen
Foto: Katja Bernardy (kat) ("TV-Upload Bernardy"

Trier. Sind Stolpersteine Steine des Anstoßes? Welchen Einfluss hatten Hitlerjugend und nationalsozialistische Ideologie auf das Schulleben am HGT? Antworten auf diese beiden Fragen lieferten Pauline Thielen (18) und Manuel Beh (20). Beide sind ehemalige Schüler des HGT und haben das Abitur seit diesem Jahr in der Tasche. Ihre während der Schulzeit angefertigten Facharbeiten sind nachhaltig: Sie wurden nun feierlich im Gemeindesaal der Trierer Synagoge mit dem Kreutzer-Voremberg-Preis (siehe Extra) ausgezeichnet.
Pauline Thielen hat sich intensiv mit Günther Demnigs Projekt Stolpersteine auseinandergesetzt. Der Künstler erinnert europaweit mit kleinen, in den Boden eingelassenen Gedenktafeln an die Opfer des Nationalsozialismus. Die Abiturientin hatte unter anderem einen Fragebogen entwickelt und an 160 Personen verteilt. Ergebnis: "Die große Mehrheit findet es noch essentiell, an die Verbrechen im Dritten Reich zu erinnern und nimmt das Projekt Stolpersteine als eine gelungene Annäherung wahr", sagte Thielen. "Viele sehen die Verantwortung der Vergangenheit nicht bei unserer Generation." Aber Stolpersteine symbolisierten die Verantwortung, zu verhindern, dass sich die Vergangenheit wiederhole.
Manuel Beh tastete sich mit viel Fleiß an die dunkle Vergangenheit des Humboldt-Gymnasiums Trier heran: Wochenlang hat er in Akten, die "zig Jahre auf dem Buckel haben", wie er sagt, im Koblenzer Landeshaupt- und im Schularchiv gewühlt. Handschriftliche Konferenzbücher, "verfasst aus einer Mixtur aus Sütterlin- und Schreibschrift", hat er entziffert und abgetippt. Das Fazit seiner Recherche, die von der heutigen Schulleitung unterstützt und von Lehrerin Sonja Benner betreut wurde: Das HGT wurde nicht unerheblich durch die Nationalsozialisten und die Hitlerjugend beeinflusst. Er fand etwa heraus, dass in jedem Klassenzimmer ein Führerbild hing, Lektüren jüdischer Schriftsteller aus der Schulbibliothek entfernt wurden. "Ein Direktorenaustausch 1936 stand symbolisch für den Einzug der NSDAP ins HGT", nannte Beh ein weiteres der vielen Ergebnisse seiner Arbeit.
Der erste Preis ging an Pauline Thielen, der zweite an Manuel Beh. René Richtscheid, Vorsitzender der Trierer Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, und Vorstandsmitglied Willi Körtels übereichten erstmals den Kreutzer-Voremberg-Preis. Sieben Schülerprojekte hatte die Jury (Elfriede Mommenthal-Aymanns, Gerd Voremberg, Christoph Cluse) im Vorfeld bewertet.
Der Preis wird künftig alle zwei Jahre verliehen. "Damit Schülerarbeiten und -projekte zum Verhältnis von Christentum und Judentum nicht nur bewertet und dann in den Schularchiven abgelegt werden", so René Richtscheid in der Laudatio. Die Öffentlichkeit solle durch den neu geschaffenen Preis von dem regionalen Entdeckergeist erfahren.Extra

Der Kreutzer-Voremberg-Preis ist zum einen nach Paul Kreutzer benannt. Der 2004 verstorbene frühere Bürgermeister von Trier hat lange in der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gearbeitet. Kreutzers Ehefrau Annemarie berichtete während der Preisverleihung eindrucksvoll von Kreutzers Aktivitäten für die Gesellschaft. Zum anderen ist der Preis nach Gerd Voremberg benannt. Voremberg wurde 1933 in Trier geboren. Seine Familie floh 1939 vor den Nazis nach Palästina/Israel. 1948 kehrte er nach Trier zurück. Von 1973 bis 1998 war Voremberg der erste Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Trier und engagierte sich sehr für die Gesellschaft Christlich-Jüdischer Zusammenarbeit. Die namensgebenden Personen hatten schon einmal, im Jahr 1987, einen Schülerwettbewerb zum Thema Christen und Jugend ausgelobt. "1987 war es noch nicht allgemein üblich, sich öffentlich des Themas Judentum anzunehmen", sagte René Richtscheid. kat

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