Ein Tässchen Kaffee zur Vergebung

TRIER. Auf Einladung von Kaffees und Kaffee-Spezialitätenröster, darunter Mondo del Caffè aus Irrel, reist eine Delegation äthiopischer Kaffeebauern und -experten durch Deutschland, um sich ein Bild von hiesigen Qualitätsansprüchen zu machen. Im Trierer Amphitheater stellten sie ihre Heimat und den Kaffee in einer traditionellen Röst-Zeremonie vor.

Das Amphitheater bietet eine stimmungsvolle Kulisse für eine mindestens ebenso alte Zeremonie, die fast zweihundert geladene Gäste staunend verfolgen. Tsige Abay, eine äthiopische Kaffeebäuerin, nimmt anmutig auf dem Boden Platz. Dort hat sie Gras ausgelegt, in bunten Farben geflochtene Behältnisse, Töpfe und Gefäße verteilt und in einem Becken Kohle zum Glühen gebracht. Andächtig setzt sie eine Schale mit hellen Kaffeebohnen auf das Feuer und schon bald steigt den Gästen der würzig-aromatische Duft gerösteten Kaffees in die Nase. Tsige zelebriert einen Brauch, der in ihrer Heimat Arsi Golocha, eine Hochlandregion im Süden Äthiopiens, von zentraler sozialer Bedeutung ist. "Die Röstzeremonie dauert weit über eine Stunde und dient dazu, Streit beizulegen. Niemand würde dort vor Gericht ziehen", erklärt Vera Schramer von der Spezialitätenrösterei Mondo del Caffè. "Die Beteiligten trinken je drei Tassen Kaffee. Die erste zum Genuss, die zweite zur Diskussion und die dritte zur Vergebung." Zuvor, so zeigt es Tsige, werden die gerösteten Bohnen im Holzgefäß zerstampft und in einer Tonkanne aufgebrüht, wobei unbedingt Weihrauch brennen muss. Beim Zuschauen scheinen einige Besucher ihren eigenen alltäglichen, manchmal hastigen Umgang mit Kaffee zu überdenken. Auf vielen Gesichtern spiegelt sich Ehrfurcht. Umso mehr, als gleichzeitig ein Diavortrag den aufwändigen und von mühsamer Handarbeit geprägten Weg der Kaffeegewinnung im kleinbäuerlichen Arsi Golocha dokumentiert. Der in Gärten, in Plantagen, wild oder im Unterholz von Wäldern wachsende Kaffee wird gepflückt, gereinigt, fermentiert, sortiert und getrocknet. Ganze Familien arbeiten mit, und obwohl es ihnen im Vergleich zur hungernden nordäthiopischen Bevölkerung relativ gut geht, sind sie doch arm. "Mit Almosen oder Spenden wäre nicht geholfen", sagt Vera Schramer, "nur mit dem gerechten Preis für den Kaffee." Genau da setzt die Zusammenarbeit zwischen deutschen Röstern, die auf der Suche nach hochwertigen Spezialitäten sind, und äthiopischen Initiativen, die auf sozial verantwortliche und ökologisch verträgliche Weise ihr Land entwickeln wollen, an. Das Bindeglied heißt Qualität. "Gute Qualität, guter Preis", sagt Vera Schramer. Deshalb ist Tsiges Delegation hier. Sie sind Kaffee-Experten und haben sich vor zwei Jahren unter dem Kürzel IPS zwecks Kaffee-Vermarktung und Förderung der ländlichen Entwicklung in Arsi Golocha zusammengeschlossen. Erkenntnisse ihrer Deutschlandreise möchten sie zur gezielten Qualitätssteigerung etwa durch Schulung der Kaffeebauern umsetzen. Im Amphitheater jedenfalls trifft ihr Kaffee auf begeisterte Genießer.

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