Ein anarchistischer und total abgedrehter Auftritt - Oder: "Das ist Rock'n'Roll!"

Von Tabus hat die israelische Band "Monotonix" nie etwas gehört. Seit Jahren lassen die drei Rocker aus Tel Aviv jede Party eskalieren. Jetzt auch im Exhaus.

 Ein Auftritt jenseits allen Chaos: Die israelische Band Monotonix verblüffte im Exhaus. TV-Foto: Christina Förster

Ein Auftritt jenseits allen Chaos: Die israelische Band Monotonix verblüffte im Exhaus. TV-Foto: Christina Förster

Trier. (cf) Wer dachte, er hört sich am Montagabend zum lockeren Einstieg in die Woche ein nettes Rockkonzert im Exhaus an, wurde von "Monotonix" innerhalb von drei Sekunden aufgeklärt. Auf die folgende Eskalation deutete nicht zuletzt das minimalistische Equipment hin, einfach auf den Boden vor die Bühne gestellt, deren vielfach ramponierte Instrumente klare Alarmsignale aussandten.

Kaum war der erste Akkord erklungen, lag Schlagzeuger Haggai Fershtman oberkörperfrei in einem See aus Bier, Sänger Ami Shalev zerrte ihn an den Füßen durch den Raum, und Gitarrist Yonatan Gat kletterte unter wildem Saitengeschrammel auf die Verstärkerbox.

Die israelische Band, die auf ihrer kontrollverlustigen Welttournee auch das Exhaus beehrte, kannte keine Gnade: Aufgedreht bis über die Schmerzensgrenze dröhnte der Bass durchs Gewölbe, wo inzwischen Shalev das Bier der Zuschauer zur Sprühfontäne umfunktionierte, in dessen Regen er primatengleich herumsprang und irgendetwas ins Mikro brüllte, das vielleicht ein englischer oder hebräischer Text sein könnte. Ungewiss blieb auch die Melodie. Es ging wohl vornehmlich um die Show an sich, der man sich, ob brüskiert oder begeistert, nicht entziehen konnte.

Erst recht nicht, wenn man neben 50 anderen perplexen Zuschauern vom brüllenden Sänger in die Damentoilette gedrängt wird und die dröhnende Bass-Trommel den Weg nach draußen versperrt.

Auf ihrer derzeitigen Tour, bei der sie das neue Album mit dem bezeichnenden Titel "Where Were You When It Happend?" ("Wo warst du, als es passierte?") vorstellen, steckte sich ein Mann aus Tennessee (USA) in frenetischer Euphorie selbst in Brand. Das tabulose Trio kennt keine Regeln. Mal schleudert Shalev die Trommeln in die dampfende Menge, mal packt er eine Frau und versucht, sie auf die Schultern des wild rockenden Schlagzeugers zu bugsieren. Als er sich die von Bier und Schweiß durchtränkte Boxershorts ein Stück herabzieht, um zwischen den Gesäßbacken eine Zigarette einzuklemmen, verlassen einige den Raum. Das bietet der Band und einigen neu gewonnenen Fans aber nur mehr Platz zum Tanzen auf dem Schlachtfeld der archaischen Instinkte. "Das ist Rock'n'Roll!" schreit ein Zuschauer.

Nie gab es einen solchen Grenzverlust zwischen Publikum und Band, nie wurde so umstandslos jegliche Distanz vernichtet, wie bei dem anarchistischen Auftritt der drei "Tel Avivis". Diese haben in ihrer Heimatstadt nicht umsonst im Großteil der Clubs Hausverbot.

Egal wie euphorisch, ungläubig grinsend oder einfach nur geschockt das Publikum reagierte - kaltgelassen hat dieses Erlebnis sicherlich keinen.

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