Ein ganz normales Fest

TRIER. Anders lieben, anders leben, aber genauso feiern: Der Christopher Street Day (CSD) am Samstag auf dem Kornmarkt zog nicht nur Menschen aus der Szene an, sondern geriet zu einem großen Familienfest – gelebte Toleranz, Musik und Politik inklusive. Der Stadtvorstand zeigte der Veranstaltung die kalte Schulter.

Der dritte Christopher Street Day in Trier. Bis zum Dom und zum Rathaus sind es jeweils nur wenige Meter Luftlinie. Kennt man die bunten, schrillen Bilder von ähnlichen Veranstaltungen aus Berlin und Köln zum Beispiel, fragt man sich, wie das in der Katholikenstadt Trier wohl aussehen mag. In der Provinz geht alles eine gemächliche Gangart. Nichts mit schrill, poppig oder skurril. Warum auch? Die Homosexuellen- und Lesbenszene hat sich längst etabliert und wird - wenn auch nicht rechtlich gleichgestellt - gesellschaftlich wenigstens halbwegs toleriert. Familien und Senioren ohne Berührungsängste

Das zeigt sich jedenfalls am Samstag auf dem Kornmarkt. Dort belagern die Getränke-, Essens- und Informationsstände nicht nur Leute aus der "Szene". Auch viele Familien, deren Nachwuchs in Windeln und Badesachen durch das begehrte kühle Wasserspiel plantscht, mischen sich unters Volk sowie ältere Bürger, die wie ein Eurener Paar extra wegen der Vorführungen auf der Bühne gekommen sind. Berührungsängste mit der schwul-lesbischen Szene? "Nein, warum denn", sagen die Leute, "es war schon im letzten Jahr lustig." Die mit Luftballons geschmückten Stände locken gleichfalls Touristen und Passanten. Wie beim Stand der Jusos, der Jugendorganisation der SPD, die schon nach zwei Stunden etwa 40 Unterschriften gegen den Ausschluss von Homosexuellen beim Blutspenden gesammelt haben. Infos auch beim Stand des Trierer schwul-lesbischen Zentrums Schmit-z, Veranstalter des CSD. Oder beim schwul-lesbischen Landesverband Saar. Gespräche unter Gleichgesinnten - die Gründung eines rheinland-pfälzischen Landesverbands wird angestrebt. Apropos Gleichgesinnte: Nicht jeder der Schwulen und Lesben ist bereit und in der Lage, seine Situation trotz Teilnahme am CSD öffentlich darzustellen. Wie eine junge Frau, die erstmals hinter einem der Stände steht. Geoutet habe sie sich erst vor ein paar Monaten, bekennt sie. Und das erst, als das Ende ihrer befristeten Arbeitsstelle bei einem katholischen Arbeitgeber ohnehin feststand. Verstecken müssen war gestern

Einer der wenigen Paradiesvögel ist Markus, der mit einem prächtigen Kopfschmuck aus Vogelfedern aus der Masse sticht. Den CSD sieht der 34-jährige Strahlemann als Gelegenheit, Freunde zu treffen und in der Öffentlichkeit Spaß zu haben. "Es ist viel passiert in der Schwulenbewegung", meint er selbstbewusst, "verstecken müssen wir uns schon lange nicht mehr." Den CSD betrachtet er weniger politisch, sondern als Ausdruck eines Lebensgefühls - und feiert in einem Pulk von Freunden. Politisch wird es, als Theater-Chefdramaturg Peter Oppermann auf der Bühne mit Vertretern der Grünen, der Grünen Jugend, der SPD, des Schwulenreferats des Astas Trier und des Saar-Verbands der Lesben und Schwulen diskutiert. Dass der Stadtvorstand die Veranstaltung, zu der mehrere tausend Menschen kommen, nicht offiziell begleitet, dazu finanzielle Unterstützung wegen des angeblich mangelnden öffentlichen Interesses verwehrt, wird von den Diskussionsteilnehmern ausdrücklich kritisiert. Daher bezeichnet Oppermann das Fehlen von Vertretern der CDU (offizielle Entschuldigung: "Keine Zeit.") als "Toleranz in Form von Ignoranz". Schade eigentlich, dass keiner der sonst stets präsenten Politiker mit dabei war. Schließlich war es nur eine ganz normale Trierer Familienfeier.

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