Ein halbes Jahrhundert in 51 Bänden: Heimatzeitung Schweicher Bote bleibt der Nachwelt erhalten

Schweich/Trier · Der Schweicher Bote war 50 Jahre ein unverzichtbarer Begleiter für viele Leser von Mosel und Eifel. Dieser Tage sind die 51 Zeitungsbände, die die Schweicher Druckerei Sachsenweger von 1885 bis 1935 herausgegeben hat, der Stadtbibliothek Trier als Dauerleihgabe übergeben worden.

 Oben: Titelseite und Anzeigenseite einer Ausgabe des Schweicher Boten aus dem Jahr 1886. Rechts: In der Druckerei Sachsenweger werden die Bände an die Stadtbibliothek Trier übergeben (von links): Günther Sachsenweger, Stadtbürgermeister Lars Rieger, Dagmar Weck (Stadtbibliothek Trier) und Stadträtin Anita Kruppert. TV-Fotos (2): Albert Follmann

Oben: Titelseite und Anzeigenseite einer Ausgabe des Schweicher Boten aus dem Jahr 1886. Rechts: In der Druckerei Sachsenweger werden die Bände an die Stadtbibliothek Trier übergeben (von links): Günther Sachsenweger, Stadtbürgermeister Lars Rieger, Dagmar Weck (Stadtbibliothek Trier) und Stadträtin Anita Kruppert. TV-Fotos (2): Albert Follmann

Foto: (h_tl )

Schweich/Trier. Stadträtin Anita Kruppert hat den Kauf eingefädelt, nun ist er perfekt: Die Stadt Schweich hat die komplette Ausgabe der Heimatzeitung Schweicher Bote von der Familie Sachsenweger erworben und die Bände, 51 an der Zahl, der Stadtbibliothek Trier übergeben. Zur sachgemäßen Lagerung und zur Einsicht für Interessierte (siehe Extra).

Damit sei sichergestellt, dass diese wertvolle historische Sammlung der Nachwelt erhalten werde, freut sich Schweichs Stadtbürgermeister Lars Rieger. Auch das Staatsarchiv in Mainz soll am Erwerb der alten Zeitdokumente aus Schweich und Umgebung interessiert gewesen sein. Doch die Landeshauptstadt kam für die politisch Verantwortlichen aus Schweich nicht infrage. Eine so weite Reise sei keinem zuzumuten, wenn er mal was nachschlagen wolle.

Die Lektüre der alten Zeitungen und der seit 1924 erschienenen Beilage Mein Heimatland ist in der Tat ein Vergnügen: unterhaltsam, spannend, lustig, traurig und mit garantierten Aha-Effekten. Wer hätte schon gedacht, dass bereits im Jahr 1906 für Dampf-Saunen geworben wurde oder die Behörden 1927 "reuige Steuersünder" dazu aufriefen, sich freiwillig zu melden. Bei entsprechender Zahlung winke eine Amnestie.

Näher angesehen haben wir uns den 1886er Band. Etwas vergilbt ist er, manche Seite vom vielen Blättern eingerissen. Damals betrug der Abopreis für ein Quartal eine Mark. Wurde die Zeitung per Post oder Bote zugestellt (die Boten brachten die Exemplare meist per Handwägelchen in den Moselorten oder in der Fidei zu den Lesern), wurden 20 Pfennig extra berechnet. Stolz berichtete der Verlag in fast jeder Ausgabe, dass 18 Exemplare nach "Amerika" gehen - an Auswanderer, die über das Geschehen in der Heimat informiert bleiben wollen.

Auffallend ist, dass in den Anfangsjahren des Boten nur Anzeigen mit Emblemen und Fotos gestaltet wurden. Es wurde viel gefeiert und getanzt, nicht nur an Karneval, es gab "Heiraths-Gesuche", Versteigerungen, Holz- und Viehverkäufe, Witze und standesamtliche Nachrichten.

Die redaktionellen Seiten waren reine "Bleiwüsten" - oft füllten lange Fortsetzungsromane den Fuß der Seite. Titelgeschichten befassten sich häufig mit der Diplomatie des Fürsten Bismarck und den Auftritten von Kaiser Wilhelm I. Der damals fast 90-Jährige war allgegenwärtig ("Nach einem Sturze bei einem Hofball sah sich der Kaiser genötigt, vom täglichen Ausritt Abstand zu nehmen.") Aber auch die Botschaften der Trierer Bischöfe an die "geliebten Diözesanen" waren der Redaktion große Artikel und gute Platzierungen wert.

Am spannendsten war die Rubrik "Lokale und vermischte Nachrichten". Hier spielte sich das wahre, oft grausame Leben ab: Der Junge aus Trier, der in den Luftschaft einer Brauerei stürzt und dabei umkommt. Ein Schweinehirt aus Longuich und ein Landbriefträger aus Mürlenbach - beide erfroren. Oder die Frau aus Pronsfeld, der der Prozess gemacht wird, weil sie ihr uneheliches Kind nach der Geburt getötet hat.

Sie bekommt vier Jahre Zuchthaus, die Staatsanwaltschaft hatte sieben Jahre gefordert. Spannend auch die Schilderung, wie ein Mühlenknecht zwei "finstere Burschen" in die Flucht schlägt, die ihn im Wald überfallen haben. Seine dicke Kleidung habe die Messerstiche aufgefangen, dann habe er die Räuber mit der Peitsche in die Flucht geschlagen, heißt es. Auf Erzählungen von Betroffenen griffen die Redaktionen damals häufig zurück, was der fantasievollen Ausschmückung von Texten Vorschub geleistet haben dürfte. Aber auch Informanten in den Orten des Verbreitungsgebiets und der Austausch mit Nachbarzeitungen (etwa dem Volksfreund und der Landeszeitung in Trier) sorgten für Lesestoff.Extra

Interessenten können die Bände des Schweicher Boten im Lesesaal der Stadtbibliothek Trier (Weberbach) einsehen und Kopien von Artikeln oder Zeitungsseiten anfertigen lassen. Die Bearbeitungsgebühr pro Auftrag beträgt drei Euro, eine DIN-A-4-Kopie kostet 1,25 Euro. Nach Auskunft der Stadtbibliothek ist vorerst nicht geplant, die Ausgaben des Schweicher Boten zu digitalisieren. alfExtra

Ein halbes Jahrhundert in 51 Bänden: Heimatzeitung Schweicher Bote bleibt der Nachwelt erhalten
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 Eigenwerbung der Buchdruckerei Sachsenweger (links) und eine Anzeige der Ehranger Carnevals-Gesellschaft für die Damen-Sitzungen an Fastnacht 1886 im Saal des Hotels Umbach. TV-Fotos (2): Albert Follmann

Eigenwerbung der Buchdruckerei Sachsenweger (links) und eine Anzeige der Ehranger Carnevals-Gesellschaft für die Damen-Sitzungen an Fastnacht 1886 im Saal des Hotels Umbach. TV-Fotos (2): Albert Follmann

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Ein halbes Jahrhundert in 51 Bänden: Heimatzeitung Schweicher Bote bleibt der Nachwelt erhalten
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 Undatierte Aufnahme der Belegschaft vor der Druckerei Sachsenweger in Schweich. Im Türrahmen hinten Heinrich Sachsenweger, der Sohn des Firmengründers Johann Sachsenweger. Foto: Familie Sachsenweger

Undatierte Aufnahme der Belegschaft vor der Druckerei Sachsenweger in Schweich. Im Türrahmen hinten Heinrich Sachsenweger, der Sohn des Firmengründers Johann Sachsenweger. Foto: Familie Sachsenweger

Der Schweicher Bote wurde erstmals 1885 von Johann Sachsenweger herausgegeben. Nach dessen Tod setzte Albert Eisel die Redaktion fort (1904). Die Zeitung erschien anfangs zwei Mal wöchentlich (mittwochs und samstags), später drei Mal wöchentlich. Die Zeitung war verbreitet in den Bürgermeistereien Schweich, Longuich, Mehring, Klüsserath, Pfalzel-Ehrang, Hetzerath, Neumagen und Schleidweiler-Zemmer. In den besten Zeiten hatte die Zeitung 6500 Abonnenten. Seit dem Jahr 1924 erschien in loser Folge unter der Schriftleitung von Lehrer Ludwig Tendam aus Issel die Beilage Mein Heimatland. In ihr wurden Texte zu heimatkundlichen Themen abgedruckt, oft auch Gedichte von Lesern. 1935, während des Dritten Reiches, wurde der Schweicher Bote von den Machthabern gezwungen, sein Erscheinen einzustellen. alf

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