Ein schneller Schnitt

TRIER. Es ist ein goldener Oktobermorgen. Leichter Nebel liegt über dem Moseltal, die ersten Sonnenstrahlen des Tages überfluten die Anhöhen. So idyllisch ein solcher Morgen auch ist, für andere ist es die Zeit, wenn die Arbeit im Weinberg beginnt.

"Ratsch", da geht die große Schiebetür des Transporters von Winzer Peter Terges auf, und sechs Weinlese-Helfer steigen nacheinander aus. Sie stehen nun mitten im Deutschherrenberg, am Hang über dem Trierer Stadtteil Olewig. Ein Blick auf die Armbanduhr verrät den Beginn eines anstrengenden Tages um 8 Uhr. Die sechs Helfer, die rasch ihre Taschen an der provisorisch aufgestellten Holzbank am Fuße des Weinbergs ablegen, zeigen sich von der bezaubernden Aussicht auf Olewig und das Moseltal kaum beeindruckt und machen sich stattdessen direkt an die Arbeit. In Gummistiefeln stapfen sie sodann durch die lockere, noch von der Nacht etwas feuchte Erde und suchen sich ihre unbearbeiteten Rebstock-Reihen. Nach wenigen Minuten sind sie schon im Arbeitstrott. Immer zwei Helfer arbeiten an einer Reihe. Haben sie das gelbe Laub an den Weinstöcken zur Seite geschoben, ist der Weg zu den Trauben frei. Ein kurzer Griff, ein schneller Schnitt - und schon landen die edlen Früchte im Korb und später in der Hotte. "Hey, hier habt ihr noch welche hängen lassen. Und reißt die Trauben nicht so rabiat ab", ermahnt Peter Terges seine Helfer. Die sechs Männer und Frauen kommen zum größten Teil aus Polen und sprechen kaum Deutsch. Unter ihnen versteht nur Jacek Tekiela, ein robust gebauter Mann in einem grauen Pullover und stark strapazierter Jeans, die offenbar schon mehr als eine Lese mitgemacht haben, die Anweisungen und übersetzt sie für seine Kollegen. Ein wenig Gemurmel folgt, und weiter geht die Arbeit in gebückter Haltung.Erntezeit dauert zwei bis drei Wochen

Beim Gang durch den Wingert bleibt Terges zwischendurch mal stehen und zückt das Refraktometer aus seiner Hosentasche, um den Oechsle-Grad, den Zuckergehalt, der Trauben zu messen. Er reibt den Saft einer Frucht zwischen zwei Prismen, schaut durch die Linse und grinst zufrieden. "Wir erreichen in diesem Jahr Spitzenwerte bei den Oechsle-Werten", freut sich Terges. "Das wird ein ganz besonderer Jahrgang." Nach wenigen Stunden Arbeit in der Steillage wird es den Lesern langsam warm. Die Sonne scheint ihnen auf den Rücken und lässt die ohnehin körperlich anspruchsvolle Arbeit noch ein wenig schwerer von der Hand gehen. Sie ziehen die Pullover aus und arbeiten kurzärmelig weiter. "Um die Mittagszeit machen sie dann eine halbe Stunde Pause und genießen beim Essen den Sonnenschein", erzählt Winzer Terges. Danach gehe es wieder an die Reben. So verbringen die sechs Helfer Stunde um Stunde, Tag für Tag in den Weinbergen. "Etwa acht Stunden pro Tag, von 8 bis 17 Uhr, mit Pausen, arbeiten die Helfer", sagt Terges, während er mit einem prüfenden Blick durch den Wingert marschiert. Die Erntezeit dauere, je nach Wetterlage, und auch mit dem Lesen der frühen Sorten etwa zwei bis drei Wochen. "In dieser Zeit ernten die Helfer - nur auf den Riesling bezogen - etwa 250 bis 300 Liter pro Mann", rechnet Terges. Natürlich variiere die Zahl je nachdem, welche Rebsorte man lese. Wenn es um Beeren- oder Trockenauslese gehe, sei der ganze Arbeitsaufwand ein anderer. Denn bei diesen Auslesen müssten die Helfer die edelfaulen Früchte gesondert zu den normalen Trauben pflücken. "Aber die Helfer haben inzwischen eine so große Erfahrung, dass die Auslese gut funktioniert", sagt Terges. Doch so groß die Erfahrung der Lese-Helfer auch ist, eines ist immer wieder gleich: Nach einem Acht-Stunden-Tag in der Steillage des Wingert schlafen sie nachts gut ein - bis wieder am nächsten Morgen die Sonne aufgeht.

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