Ein schöner langer Samstag

TRIER. "Die OB-Wahl war ein Desaster für uns. Wir sind richtig abgewatscht worden. Wer etwas anderes sagt, lügt sich in die eigene Tasche." Mit diesen deutlichen Worten reagiert der CDU-Fraktionschef im Trierer Stadtrat, Bertrand Adams, auf die OB-Wahlschlappe vom Sonntag. Die Parteikollegen aus dem Stadtvorstand – Helmut Schröer und Georg Bernarding – kommentieren das Fiasko diplomatischer.

Berti Adams kündigt Konsequenzen an: "Wir werden bei einer Klausurtagung Mitte November über alles reden und die Weichen neu stellen." An einem "schönen langen Samstag" würden sich die Ratsfraktion, die CDU-Vertreter im Stadtvorstand und die Ortsvorsteher "schonungslos offen die Meinung geigen". Vor persönlichen Konsequenzen schreckt er nicht zurück: "Ich werde meinen Posten zur Verfügung stellen. Möglicherweise stehe ich aber für die Wiederwahl zur Verfügung." Das Ziel der bereits fest terminierten Aussprache: von Grund auf neu aufstellen mit Blick auf die Kommunalwahl 2009. Das Personaltableau der Union soll ebenso eine wichtige Rolle spielen wie die Frage, wie man verstärkt die Jugend gewinnen kann. Ferner werden die bisherigen Aktivitäten der CDU-Vertreter im Stadtvorstand wohl zur Sprache kommen. Adams: "Wir brauchen uns ja nun nicht mehr in allen Belangen vor die Verwaltung zu stellen." Der amtierende OB Helmut Schröer gibt sich derweil stadtväterlich: "Als Oberbürgermeister bekommt man vieles mit im Vorfeld", sagt er im TV-Gespräch. "Viele kamen zu mir und haben mir ihr Herz ausgeschüttet - da wusste ich, dass es schwer werden wird für Holkenbrink, aber mit so einem schlechten Ergebnis hatte ich nicht gerechnet." Schließlich habe er selbst bei seiner Wiederwahl vor acht Jahren 98 von 99 Bezirken gewonnen und als CDU-Kandidat 57 Prozent der Stimmen geholt. "Und das, obwohl bei der gleichzeitigen Bundestagswahl Helmut Kohl als CDU-Bundeskanzler abgewählt wurde." Die Ursachen für das aktuelle Ergebnis seien vielfältig. "Es muss jetzt genau analysiert und in umfangreiche Diskussionen eingestiegen werden." Das Holkenbrink'sche Ergebnis sei "unterrepräsentativ" für die Trierer CDU. "Aber es wäre zu kurz gesprungen, die Kandida-ten-Frage in den Mittelpunkt zu stellen." Vielmehr müsse über das gesamte Personaltableau gesprochen werden, "denn am Wahlabend ist bei vielen eine ,Jetzt-erst-recht'-Stimmung aufgekommen - ich vermute, dass der Trierer CDU in den nächsten Tagen mehrere Mitgliedsanträge ins Haus flattern werden." Ob ein anderer CDU-Kandidat gegen den übermächtigen Klaus Jensen eine Chance gehabt hätte? Schröer: "Wenn alles richtig angegangen worden wäre - der Wahlkampf und die Motivation aller Partei-Glieder - hätte man eine Chance gehabt." Dass der Amtsinhaber nicht für den Parteikollegen Holkenbrink ins Feld gezogen ist, erkläre sich aus seiner Position heraus: "Als Oberbürgermeister bin ich Wahlleiter - und damit zur Neutralität verpflichtet." Auf die Verwaltungsarbeit im Rathaus habe der Wechsel keine Auswirkung. "Ich erwarte von jedem Mitarbeiter, dass er seine Pflicht tut." Dass in den Unterstützer-Anzeigen im Volksfreund bei beiden Kandidaten jeweils ein Verwaltungsmitglied namentlich aufgetaucht ist, kritisiert der amtierende OB: "Wir sind den Bürgern verpflichtet und nicht einer Partei!" Daher werde die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat für Jensen auch nicht automatisch schwierig - selbst wenn die CDU mit 21 Sitzen die stärkste Fraktion stellt und die erklärten Jensen-Unterstützer - SPD und Grüne - zusammen nur auf 20 Sitze kommen. "Die politische Arbeit, die auf einem so guten Weg ist, muss vernünftig weitergeführt werden - ,Heißsporne' in den Stadtratsreihen dürfen diese Arbeit nicht erschweren." Bürgermeister Georg Bernarding hatte nach der Nominierung Holkenbrinks durch den CDU-Vorstand auf eine Kandidatur verzichtet - obwohl viele ihn für den geeigneteren Kandidaten hielten. Ob die CDU mit ihm die Wahl gewonnen hätte? "Von mir wird es keine Spekulationen à la was-wäre-wenn geben, ich wollte damals keinen Streit in der Partei und will auch jetzt keinen", sagt Bernarding. "Im Stadtvorstand werde ich ohne Wenn und Aber auf eine gute Zusammenarbeit mit Jensen setzen." Die Amtszeit des Dezernenten für Soziales und Sport endet 2010.Bernarding: Man macht sich viele Gedanken

"Dann kann ich mich erneut zur Bürgermeister- und Dezernentenwahl stellen - allerdings ist es auch möglich, dass ich gehe", lässt er offen, ob an den Gerüchten über seine Bewerbungen um Chefsessel in norddeutschen Städten etwas dran ist. "Konkrete Pläne gibt es keine - aber Gedanken macht man sich viele." Nur die provokante Frage, ob die CDU sich in Trier nach dem 33,1-Prozent-Ergebnis überhaupt noch Volkspartei nennen dürfe, lässt einen deutlicheren Blick auf seine tatsächlichen Gedanken zu: "Es war eher eine Persönlichkeits- als eine Parteien-Wahl."

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