Eine Frau für alle Fälle

FELL/TRIER. Sie haben nicht nur mit Handwerksmeistern, sondern auch mit deren Betrieben einen Bund fürs Leben geschlossen: die Frauen von Unternehmern. Aus dem Schatten der Büromaus sind sie längst herausgetreten. Wie Carmen Kirsten sind sie Managerinnen der Betriebe und balancieren zwischen Job und Familienleben.

 Ob originelle Werbung, vielfältige Büroarbeit oder Kindererziehung: Unternehmerfrau Carmen Kirsten ist die starke Frau hinter einem Unternehmer.Foto: Katja Krämer

Ob originelle Werbung, vielfältige Büroarbeit oder Kindererziehung: Unternehmerfrau Carmen Kirsten ist die starke Frau hinter einem Unternehmer.Foto: Katja Krämer

5.45Uhr. Das Klingeln des Weckers ist das Startsignal für einenarbeitsintensiven Tag. Frühstück machen, Kinder in die Schulebringen und gegen 8 Uhr geht's los in den Betrieb. Jede MengeArbeit wartet im Büro der Schreinerei auf Carmen Kirsten ausFell. Vor fünf Jahren hat sie ihren Job bei der Post an den Nagelgehängt. Der Grund: Gemeinsam mit ihrem Mann hatte sie sich dazuentschieden, den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen. "Eswar klar, wenn wir das machen, dann müssen wir beide dafür dasein", sagt Carmen Kirsten. Ins kalte Wasser gesprungen

Seitdem ist sie zuständig für Büro, Planung, Kundenbetreuung, Werbung und "ich besorge auch schon mal Schrauben, die fehlen". Sie ist ins kalte Wasser gesprungen und musste sich "erst einmal in den Betrieb reinwurschteln", sagt die "Frau für alle Fälle", die keine Ausbildung absolviert hat.

Vor zwei Jahren hat ihr Mann einen großen Betrieb in Trier-Pfalzel übernommen. Seitdem gehören auch Bestattungen zu den Aufgaben der Firma Kirsten. Das bedeutet für die Unternehmerfrau noch mehr Flexibilität und Einsatzbereitschaft. Rund um die Uhr. Acht bis zehn Stunden investiert sie, bis eine Beerdigung vollzogen ist.

Sie hat sich schnell eingearbeitet, "obwohl der Job recht gewöhnungsbedürftig war". Wenn "nichts dazwischen kommt", eilt sie um 13 Uhr nach Hause, um zu Kochen und sich um die Belange der Kinder zu kümmern. So lange, bis der Betrieb wieder ruft. Und das ist häufig. Der Balanceakt zwischen Job und Familie ist nur mit Hilfe der Großeltern möglich. "Ohne sie könnte ich den Job nicht machen", sagt Carmen Kirsten. Oft verfolgt sie ein schlechtes Gewissen ihren Kindern gegenüber. Und das Entspannen fällt ihr schwer. Die Firma nimmt sehr viel Raum ein. Für Hobbys bleibt keine Zeit. "Ich bin über jeden Abend froh, an dem ich einfach nur Ruhe habe", sagt sie.

Nur auf die regelmäßigen Treffen des Arbeitskreises Unternehmerfrauen im Handwerk möchte sie auf keinen Fall verzichten. Fast 40 Mitglieder zählt die Gruppe heute. "Das sind alles Frauen in der gleichen Lebenslage, mit denen ich mich austauschen kann", sagt Carmen Kirsten.

Die meisten der Frauen kamen aus fachfremden Berufen, hatten null Ahnung von kaufmännischer Arbeit und handwerklicher Materie. "Alle Frauen haben einen Arbeitsvertrag mit ihrem Gatten abgeschlossen, erhalten ein regelmäßiges Gehalt und sind sozial abgesichert", sagt Eugenie Müller, Erste Vorsitzende des Arbeitskreises, der 1993 gegründet wurde.

Anfänglich wurde er von vielen Organisationen belächelt, als Kaffeekränzchen und Anhängsel des Unternehmers gesehen, erinnert sich die Vorsitzende. Diese Einstellung hat sich ebenso geändert wie die Rolle der Frau. "Früher standen die berühmten drei K für Kinder, Küche und Kirche. Heute stehen sie für Kommunikation, Kooperation und Kompetenz", sagt Eugenie Müller.

"Selbstverständlich und unverzichtbar"

Damit die Unternehmerfrauen kompetente Partnerinnen der Betriebsinhaber und gute Führungskräfte für die Mitarbeiter sein können, bilden sich die Mitglieder in Fachvorträgen und Seminaren vom "Steuern sparen" bis hin zum "Richtigen Werben" weiter. Doch genauso wichtig sind gesellige Ausflüge. So steht der Besuch der Mitsommernachts-Sexkomödie ebenso auf dem Programm des Arbeitskreises wie der Vortrag "Wie schütze ich mich vor grippalen Infekten?".

"Frauenpower ist im Handwerk selbstverständlich geworden und unverzichtbar" - davon ist Eugenie Müller überzeugt. Trotz oftmals großem Druck ist Carmen Kirsten zufrieden: "Der Betrieb ist unser gemeinsames Projekt. Das schweißt zusammen." Kommt ihr Mann gestresst von der Arbeit nach Hause, hat sie Verständnis. Denn sie weiß genau, was er am Tag geleistet hat.

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