Eine Kuh als Geburtshelfer

FEYEN-WEISMARK. Seit 100 Jahren besteht die Feyener Schule. Die Nutzung des Gebäudes, in dem Generationen von Feyenern lernten, spiegelt den Wandel des Stadtteils vom kinderreichen Bauerndorf zum Wohngebiet.

 Rektor Stoeck zeigt den Kindern, wo im alten Teil des Gebäudes die Hausmeisterwohnung zu Klassenräumen umgebaut wird.Foto: Jutta Edinger

Rektor Stoeck zeigt den Kindern, wo im alten Teil des Gebäudes die Hausmeisterwohnung zu Klassenräumen umgebaut wird.Foto: Jutta Edinger

Als um 1900 ein hoher preußischer Beamter nach Feyen reiste, staunte er nicht schlecht. Vor ihm im Mattheiser Wald, seit 1816 im Staatsbesitz, stand eine mümmelnde Kuhherde und verging sich an den zarten Trieben. Der Feyener Forstbeamte blieb gelassen und berief sich gegenüber dem entsetzen Berliner Kollegen auf Napoleon. Dieser hatte den Feyener Bauern das Recht gegeben, im ehemaligen Klosterbesitz ihre Kühe weiden zu lassen.Dies wollte der preußische Staat aber nicht länger dulden. Gegen Zahlung von 22 000 Mark an die Gemeinde verzichteten die Feyener Bauern auf ihr Weiderecht.Diesem Verzicht und dem unverhofften Geldsegen verdankt Feyen-Weismark seine Schule. Mit dem stolzen Sümmchen wurde die dringend notwendige Lernanstalt gebaut. Eine zweiklassige Schule mit zwei Lehrerwohnungen und einem Spritzenhaus für die Feuerwehr diente ab 1903 den 80 Kindern aus Feyen als Unterrichtsraum.In der neuen Katholischen Volksschule unterrichten Schulleiter Peter Scholzen und eine Lehrerin. Die Schülerzahl stieg, die Lehrerwohnungen wurden zum Schulsaal umfunktioniert. Das Gebäude überstand den Zweiten Weltkrieg unbeschädigt. Als US-Truppen 1945 einmarschierten, wurden alle Akten und das Mobiliar vernichtet. Aus zerstörten Schulen in Trier wurden Pulte und Tafeln nach Feyen gebracht, um dort wieder Unterricht zu ermöglichen. Fortan besuchten auch Kinder aus der Siedlung Weismark die Schule am Estricher Weg. Weil es nur vier Räume gab, lernten die sieben Klassen in Wechselunterricht: ein Teil morgens, der andere nachmittags. Notgedrungen wurde sogar aus dem Ziegenstall im ehemaligen Spritzenhaus ein Klassenzimmer.Zuletzt quälten sich 350 Schüler in vier Klassensälen.1953 gab daher der Stadtrat grünes Licht für einen Erweiterungsbau. Zehn Klassenräume für 450 Schüler, die dort nach neuesten pädagogischen Gesichtspunkten unterrichtet werden und auf eine Badeanlage und eine Lehrküche zurückgreifen können - diese Neuerungen sollten die Volksschule zur schönsten in der Stadt machen. Katholische Volksschule St. Valerius hieß sie seit 1954. Doch ohne Turn- und Pausenhalle platzte auch die erweiterte Schule aus allen Nähten. In jeder der elf Klassen saßen durchschnittlich 37 Schüler.1968 begannt die Ära der Grundschule Feyen. Die Schüler der 5. bis 9. Klasse gingen nun nach Heiligkreuz. Allerdings: 1972 gab es 217 Schüler, 1984 nur noch 75. Es drohte die Schließung. Erst 1990 kam durch die Neubauten auf der Grafschaft und Aussiedlerfamilien in der Korumstraße wieder ein Anstieg. 1995 wurde das Gebäude generalsaniert. Inzwischen rechnet Schulleiter Norbert Stoeck mit 210 Schülern. Daher ist derzeit der fünfte Umbau im Gange: Die Hausmeisterwohnung und die Lehrküche werden zu Gruppenräumen. "Wir sind derzeit die einzige Schule in Trier, die wächst", freut sich Stoeck.Die 190 Grundschüler feiern das "Hundertjährige" am Samstag, 28. Juni, mit einem großen Fest. Im Theaterstück "Als die Tiere die Schimpfwörter leid waren" zeigen sie, dass sie eine Beleidigung à la "Du dumme Kuh" voll daneben finden. Denn immerhin verdanken die Kinder einer mümmelnden Kuh im Mattheiser Wald ihre Schule.

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