Eine klassische Quartiers-Schule

Die Martin-Grundschule im ruhigen Wohnviertel zwischen Brüderkrankenhaus und Zurmaiener Straße ist auf Wachstumskurs: Innerhalb von fünf Jahren hat sich die Schülerzahl fast verdoppelt. Eine erfreuliche Entwicklung, aber nicht ohne Nebenwirkungen.

 Kennen sich in ihrer Schule super aus: Frederike, Nina und Paula (von links). TV-Foto: Dieter Lintz

Kennen sich in ihrer Schule super aus: Frederike, Nina und Paula (von links). TV-Foto: Dieter Lintz

Trier. Wer die Trierer Schulen abklappert, wundert sich, wie viele von ihnen den eigenen Namen verstecken. Kein stolzer Hinweis auf der Fassade, kein Schriftzug über der Tür - und wenn, dann ein verborgenes Täfelchen mit dem Charme ein Klingelschilds oder ein verblasstes Signet als Andenken an bessere Zeiten.Es geht auch anders. Fröhlich, kindgerecht zeigt ein Schild vor der Martinschule Namen und Funktion der Einrichtung. Das in Eigeninitiative entworfene Logo ziert auch die knallroten Schul-T-Shirts, die im Lehrerzimmer ausliegen. Identifikation kann man auch mit bescheidenen Mitteln herstellen.An Letzterer scheint es auch den Kindern nicht zu fehlen. "Uns gefällt die Schule", sagen Paula, Frederike und Nina, die dem Zeitungs-Reporter das Haus zeigen. Auch wenn, wie sie kritisch anmerken, die Basketbälle oft nicht aufgepumpt sind, der Rasen der Spielwiese hinterm Haus zu selten gemäht wird und die Heizung schon mal ausfällt. Aber dafür gibt's tolle Arbeitsgemeinschaften, eine gut ausgestattete, gemütliche Bücherei und so schöne Projekte wie die zu "Konstantin" oder zur Fußball-WM, als hier sogar die Papas zum Kick antraten.Die drei Viertklässlerinnen ("Wir haben eben erst erfahren, dass wir Sie rumführen sollen") kennen ihre Schule aus dem Effeff, und ihre Auskünfte lassen ein solides Selbstbewusstsein erkennen. Das passt zu einer Schule, die sich laut Rektorin Friederike Rabe die "demokratische Erziehung" der Schüler und ihre Beteiligung als Schwerpunkt gesetzt hat. Das schlägt sich in Unterrichtsformen nieder, die den Kindern viel Freiraum und Selbstverantwortung lassen, aber auch in der gemeinsamen Erarbeitung einer Schulordnung, die keine Verbote enthält, sondern "Positiv-Formulierungen".Der eigene Erfolg wird zum Problem

136 Schüler bevölkern die sieben Klassen, Tendenz steigend. Das hat mit dem Umzug der benachbarten Paulin-Grundschule in die City zu tun, die die Rolle von Martin als "Quartiers-Schule" gestärkt hat. Aber auch "mit der tollen Arbeit in den letzten Jahren", wie Elternvertreterin Jacquelyn Becker lobend anmerkt. 45 Neue kommen zum nächsten Schuljahr - da ist absehbar, wann die kleine Schule wieder komplett zweizügig arbeitet. Aber dafür sind die Kapazitäten nach heutigen Maßstäben nicht mehr ausgelegt. Der Computerraum musste bereits dem Wachstum weichen, als nächstes wäre der Betreuungsraum fällig - so wird der Schule ihr eigener Erfolg zum Verhängnis. "Es ist blöd, dass alles so eng ist", registriert Paula. "Es fehlt Platz, wo man sich ausbreiten kann", moniert die Elternsprecherin. Die Eltern haben in ihrer Not schon daran gedacht, "in Eigenregie noch was anzubauen". Ein unrealistisches Unterfangen, trotz des engagierten Fördervereins. Gäbe es einen Schulentwicklungsplan mit klaren Perspektiven, wüsste man auch hier, wo man dran ist.So behilft man sich mit pragmatischen Lösungen. Betreuung gibt es bis 14.30 Uhr, die Nachfrage steigt, ab dem Sommer soll die Möglichkeit zum Mittagessen hinzukommen. Dank Elternhilfe hat man ein breites AG-Angebot, den beengten Verhältnissen zum Trotz. "Knobeln, Theater, Sport, Schach, Walking, Computer" fallen Paula, Frederike und Nina spontan ein. Und nicht zuletzt die "Buchexperten-AG", die Lese- und Anschaffungs-Tipps für die von Eltern betreute und von einem Künstler aus dem Maarviertel gestaltete Schulbibliothek erarbeitet.Von der Sozialstruktur her ist die Martin-Grundschule "bunt gemischt" - so gemischt wie die Wohnbevölkerung zwischen Maarstraße und Nordbad. Angesichts sehr unterschiedlicher Ausgangsbedingungen der Schüler könnte man durchaus mehr als die vorgesehenen 15 Förderstunden gebrauchen. Aber auch die Differenzierung ist eine Platzfrage.Ein Sorgenkind ist das Gebäude. 1968 gebaut, nie gründlich renoviert, ist es zwar noch nicht komplett marode, aber doch in absehbarer Zeit grundsanierungsbedürftig. Da helfen auch die Streich-Aktionen der Eltern auf Dauer wenig. "Man traut sich im Betreuungsraum kaum, ein Fenster aufzumachen, aus Angst, dass man es nicht mehr zukriegt", erzählt die Betreuerin, die mittags für die Kinder da ist. Die Isolierung ist entsprechend. Jede Menge Hausaufgaben für die Stadt. Morgen in unserer Serie: Die Ambrosius-Grundschule.

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