Einer schlägt, drei sehen zu
TRIER. Ein Mann wird in der Saarstraße angegriffen. Drei Passanten stehen daneben und greifen auch dann nicht ein, als das Opfer um Hilfe bittet – ein krasser Gegensatz zur Polizeiaktion "Wer nichts tut macht mit". Hauptkommissar Uwe Konz erläutert, was ein Augenzeuge eines Überfalls tun kann – und welche Konsequenzen drohen, wenn man nur zusieht.
Am vergangenen Wochenende hatte ein Radfahrer einen Fußgänger in der Saarstraße attackiert, zu Boden geworfen und verletzt (der TV berichtete). Unglaublich: Drei Zeugen standen direkt daneben und beobachteten tatenlos das Geschehen, als wäre es ein Fernseh-Krimi. Vom Täter und auch den drei Zuschauern fehlt momentan noch jede Spur."Diese Geschichte macht besonders betroffen", sagt Uwe Konz, Beauftragter für Jugendfragen und Gewalt-Präventions-Experte des Polizeipräsidiums Trier. "Gerade drei Personen hätten effektiv eingreifen und helfen können.""Gezielt zum Eingreifen auffordern"
Konz erläutert: "Einer hätte den Mut haben müssen, die anderen beiden gezielt zum Eingreifen aufzufordern." Ein Trio potenzieller Helfer hätte auf den Täter wesentlich abschreckender gewirkt als eine gesichtslose Masse unbeteiligter Zuschauer. Solange aber niemand die Initiative ergreift, fehlt es den Einzelnen an Mut und Konsequenz.Dennoch: "Es handelt sich in solchen Fällen nicht automatisch um unterlassene Hilfeleistung", sagt Konz. "Dieser Vorwurf hängt von der Schwere des Delikts und der Verletzungen ab." Das Opfer des Vorfalls in der Saarstraße wurde leicht verletzt. "Die Augenzeugen haben zwar nicht eingegriffen, aber einer hat das Opfer nach der Attacke gefragt, ob ein Arzt benötigt wird", so Konz. "Damit kommt unterlassene Hilfeleistung wahrscheinlich nicht in Betracht."Das Opfer muss schreien
Wer auf der Straße angegriffen wird, muss laut werden. "Es geht ganz einfach darum, in einem solchen Fall Öffentlichkeit herzustellen", betont der Hauptkommissar. "Das Opfer muss schreien und damit Helfer alarmieren und den Angreifer abschrecken."Zeugen eines solchen Überfalls müssen sich nicht sofort ins Getümmel und vor die Fäuste des Täters werfen. Es gibt wirksamere Methoden. Konz: "Man muss den Täter direkt ansprechen." Sätze wie "Ich habe gerade die Polizei gerufen" oder ein entschlossenes "Sofort aufhören" sollen den Angreifer verunsichern und in die Defensive drängen."Wer selbst ein Handy dabei hat, muss sofort die Polizei über die Notrufnummer 110 alarmieren", sagt der Beauftragte für Jugendfragen des Polizeipräsidiums. "Wer kein Handy besitzt, kann gezielt auf andere Passanten zugehen und sie um ihres bitten." Es geht darum, Augenzeugen aus der passiven Rolle des Zuschauers herauszureißen.Rainer Klasen, der in der Nähe der Saarstraße wohnt, hat einen solchen Fall noch nicht selbst erlebt. "Wenn ich Zeuge eines Überfalls werde, dann versuche ich, mit anderen Passanten das Opfer zu schützen", sagt Klasen. "Durch Klingeln an den Wohnungs- oder Haustüren würde ich versuchen, Leute zu alarmieren. Aber auf gar keinen Fall würde ich einfach wegsehen."Die bevorstehenden Projektwochen des Arbeitskreises Gewaltprävention passen zum Thema. "Gewalt hat viele Gesichter" lautet das Motto der Veranstaltungsreihe, die vom 26. April bis zum 31. Mai zum siebten Mal in Stadt und Kreis laufen wird.