Eingepfercht und nicht befreit

Die vielen Aktionen und Berichte zum 60. Jahrestag der "Befreiung" haben auch mich veranlasst, dieses Thema im Gedenken an meinen viel zu früh verstorbenen Vater zu behandeln. Er war, wie Millionen andere auch, Soldat der Deutschen Wehrmacht.

Wie er zu sagen pflegte, nicht aus Überzeugung, aber er tat seine Pflicht. Das Pflichtbewusstsein in der damaligen Zeit war eben ein anderes als heute. Mein Vater gehörte zu den Soldaten, die während der Kämpfe im Ruhrkessel im April 1945 von den Amerikanern gefangen genommen wurden, nein, wie man heute sagt, "befreit" wurden. Wie sah denn diese Befreiung aus? Mit tausenden anderen gefangenen deutschen Soldaten, pferchte man ihn hinter Stacheldraht in eines der berüchtigten Rheinwiesenlager. Hier kampierten die Soldaten unter freiem Himmel in Erdlöchern, die sie sich zum Schutz gegen das Wetter gegraben hatten. Verwundete und Kranke wurden überhaupt nicht versorgt und starben wie die Fliegen. Verpflegung gab es nur unregelmäßig. Mein Vater, früher ein stattlicher Mann, wog nach kurzer Zeit noch 55 Kilo und wurde im Oktober 1945 den Franzosen übergeben, um in Frankreich beim Wiederaufbau zu helfen. Er kam zu einer französischen Bauernfamilie, die ihn mit viel Fürsorge gesund pflegte und ihm das Leben rettete. Mit dieser französischen Familie war er bis zu seinem Tod freundschaftlich verbunden. Er würde sich im Grabe umdrehen und bittere Tränen vergießen, wenn er wüsste, wie man seine "Befreiung" heute sieht. Julius Witten, Waldrach

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