Eingeschlossener Weise mit Horizont

TRIER. "Dadurch, dass Simeon aus Syrakus sich in die Porta Nigra einmauern ließ und dort begraben wurde, rettete er das Gebäude vor dem Abriss, denn es wurde nach seinem Tod ein Gotteshaus", sagt Simeons Pate, der Kunsthistoriker Professor Franz Ronig. "Und Simeons Heiligsprechung ist ein Zeugnis für die Weltoffenheit der Trierer, die den Fremden in ihrer Mitte akzeptierten", ergänzt der Geschichtswissenschaftler Professor Alfred Haverkamp.

"Simeon aus Syrakus war ein weltoffener Mann, er war mobil, und er verband die einzelnen Teile der damals bekannten Welt - er bewegte sich in drei Kontinenten und beherrschte fünf Sprachen", beschreibt Alfred Haverkamp den Pilgerführer, Eremiten und späteren Heiligen. Wann Simeon im byzantinischen Syrakus geboren wurde, ist nicht genau bekannt - es wird geschätzt, in der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts. Der große und hagere Sohn eines griechischen Vaters und einer kalabresischen Mutter studierte Sprachen, Philosophie und Theologie in Konstantinopel (heute Istanbul). "Bald stand für ihn fest: Er wollte dem armen Christus arm folgen", sagt Franz Ronig. "Das ist bemerkenswert: In der damaligen Weltstadt Konstantinopel beschloss er, ein Leben in der Fremde und in Einsamkeit zu führen", ergänzt Haverkamp. Und so ging Simeon ins gelobte Land, lebte in Jerusalem, am Jordan und in Bethlehem als Mönch und Pilgerführer. Am Jordan diente er einem Turm-Eremiten. Dann ging er ins Sinai-Kloster, das spätere Katharinenkloster. Das griechisch-orthodoxe Mönchtum war eine Symbiose zwischen dem Leben in der Glaubensgemeinschaft und einem einsamen Eremiten-Leben in der Wüste. Vom Kloster aus startete Simeon, mittlerweile wohl gut 60-jährig, dann auch seine erste große Pilgerfahrt, denn er wurde von seinem Abt nach Rouen zu Herzog Richard II. in die Normandie gesandt, um dort das jährliche Almosen für das Sinai-Kloster zu empfangen. Am Nil wurde das Schiff von Piraten überfallen. 1027 traf Simeon in Antiochia auf die Äbte Richard von St. Vanne und Eberwîn von Sankt Martin in Trier, beides engagierte Reformabte, die auf der Rückreise von Jerusalem waren, und schloss sich den Pilgern an.Weltoffen und zurückgezogen

Als Simeon in Rouen ankommt, ist der Herzog bereits tot. Auf der Suche nach anderen Gönnern für das Sinai-Kloster begibt sich Simeon darum erst nach Verdin zu Richard von St. Vanne, der ihn dann zu Eberwîn nach Trier schickt. Dort lernt Simeon den Erzbischof Poppo kennen. Zusammen mit ihm macht er sich zu einer neuen Pilgerreise auf - er kannte die Wege ins heilige Land, die Sprachen und die Gebräuche, und war also der ideale Führer für die Reise. Zwei Jahre lang, von 1028 bis 1030, war er mit dem Bischof und Gefolge unterwegs. "Die Wallfahrt brachte für Trier zwei konkrete Folgen mit sich", sagt Franz Ronig. Erzbischof Poppo restaurierte den Dom - und Simeon ging nicht zurück ins Sinai-Kloster, sondern ließ sich am Andreasfest 1030 in der Porta Nigra einschließen. "Er hatte eine Zelle im östlichen Turm, wurde von einem Mönch von St. Martin versorgt und konnte durch verglaste Fenster auf die Stadt blicken", ergänzt Ronig. Auch in seinem Einsiedlertum verband er Weltoffenheit und Zurückgezogenheit. Er war mitten in der Stadt und doch allein, er konnte alle Ereignisse verfolgen und griff doch nicht ein. "Simeon führte ein alternatives Leben für Gott, als Büßer für sich und die Menschen", sagt Ronig. Dabei blieb Simeon immer ein Exot. "Bestimmt hat er die Trierer irritiert. Aber sie ließen ihn in ihrer Mitte", sagt Alfred Haverkamp. Simeon habe sich explizit für ein Leben in der Fremde entschieden. "Er verband Orient und Okzident", betont Haverkamp. In seiner Zelle starb Simeon im Jahr 1035. Noch im selben Jahr erwirkt Erzbischof Poppo seine Heiligsprechung in Rom. Simeons Leben schreibt der Abt Eberwîn im Auftrag des Bischofs nieder. Im Jahr 1041 beginnt Poppo mit der Umgestaltung der Porta Nigra zu einer Kirche und schützte sie damit vor dem Schicksal, das die anderen Stadttore im Mittelalter als "Steinbrüche" erlitten. Simeons Gebeine wurden darin nach griechisch-orthodoxem Ritus beerdigt, und auch der Erzbischof ließ sich dort beisetzen. Die Simeonskirche in der Porta Nigra war ein beliebtes Ziel von Wallfahrten, bis sie 1803 auf Napoleons Befehl größtenteils abgetragen wurde. Heute erinnert das Trierer Simeonsstift an den großen Heiligen. Simeons Gebeine liegen in der neuen Simeonskirche in Trier-West. Die orientalische Häkelmütze, die er zeitlebens getragen hat, ist zusammen mit einem griechischen Kodex im Trierer Domschatz ausgestellt.

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