Einmal Mahler im Amphitheater

TRIER-SÜD. Als der Uni-Chor vor fünf Jahren das umfangreiche Werk "Canto general" von Mikis Theodorakis aufführte, suchte er neue Sänger. Damals folgten Gerhild Scholzen-Wiedmann (55) und ihr Gatte Raimund Scholzen (66), Ex-Verkehrsplaner der Stadt, diesem Aufruf. Auch Sohn Philipp (21) singt mittlerweile, wenn es seine Zeit erlaubt, mit.

Eine fröhliche Familie und Wohngemeinschaft bilden Gerhild Scholzen-Wiedmann und Raimund Scholzen, seit sie vor 22 Jahren heirateten, mit Sohn Philipp und den drei Familienkatzen Leo (14), Marie (16) und Brösel (zehn Monate). "Ich kann auf alles im Leben verzichten. Außer auf Katzen und Literatur. Und Musik", sagt die gebürtige Österreicherin Gerhild Scholzen-Wiedmann. Diese Aussage steht programmatisch für das Leben der Scholzens auch auf einem Plakat, das die 55-Jährige in einer Buchhandlung entdeckte, kaufte und in ihrer Wohnung aufhängte. Während die drei Hauskatzen gemütlich durch die Räume streichen, philosophiert das Ehepaar über Kultur und Bildung."Da gibt es kein Generationenproblem"

"Es ist ein schrecklicher Ansatz, dass man sich Kultur nur leisten kann, wenn es einem besonders gut geht", sagt Raimund Scholzen. "Man sollte mehr in Kultur und Bildung investieren", fügt Gattin Gerhild hinzu, denn "Kultur ist die Visitenkarte eines Landes" und ein Reichtum, der nicht mit Geld aufzuwiegen sei. So besucht das Ehepaar einmal pro Jahr "ein hochkarätiges Opernhaus", leistet sich Abonnements für Kammerkonzerte, Theater und die Philharmonie in Luxemburg. Außerdem stehen sie für die Kultur auch stimmkräftig als Mitglieder im Uni-Chor ein. Inmitten engagierter und interessierter junger Leute. "Da gibt es kein Generationenproblem", sagen die beiden Eheleute. Seit fünf Jahren singt der Chor unter der Leitung von Dirigent Alexander Mayer. Ein großer Wunsch der beiden Sänger ist es, Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 8, ein "großes Werk", zu singen, "wenn es jemanden geben würde, der alle Trierer Chöre zusammenfassen würde". Und das am liebsten als Freiluftaufführung im Amphitheater, mit für das Publikum frei gegebenen Rängen. "Das muss ein großartiges Gefühl sein", dort zu singen, sagt Raimund Scholzen. "Musik hat auch etwas Therapeutisches. Wenn ich in die Chorproben gehe, nimmt das den Stress weg. Man lässt so viel Spannung ab, und der Kopf ist nachher wie durchgepustet", sagt Gerhild Scholzen-Wiedmann. Diese Form der Stressbewältigung braucht die 55-Jährige bei ihrem Beruf als Sekretärin in den Fachbereichen Romanistik und Jura an der Universität, den sie nach Umschulung zur Fremdsprachensekretärin seit zehn Jahren ausübt. Doch sei die neue berufliche Orientierung in Sachen Stress kein Vergleich zum Schichtdienst als Medizinisch-Technische Assistentin, den sie zuvor 20 Jahre lang im Herz-Jesu-Krankenhaus Trier im Labor leistete. Raimund Scholzen hingegen versüßt mit dem Gesang seinen Ruhestand, in den er im März 2004 aus dem Trierer Rathaus verabschiedet wurde. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, sich in Trier zu akklimatisieren, fühlt sich die Grazerin Gerhild Scholzen-Wiedmann heute in der Südstadt wohl. Auch der ehemalige Verkehrsplaner Scholzen scheint sich glücklich zu schätzen, in einer der ruhigen Straßen, abseits der stark befahrenen Saarstraße, zu leben. Besonders schätzen sie die kurzen Wege, die Anbindung an die Bahn, die intakte Infrastruktur und das Südbad. "Es ist wichtig, dass es erhalten bleibt", sagen sie. Deshalb zeigten sie Flagge und sammelten für die Bürgerinitiative während des Geburtstages eines Bekannten Unterschriften.

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