Einsame Stadt hinter Gittern

TRIER-EUREN. Kein Hauch vom Luxuskittchen mancher Fernsehreportagen: Acht Quadratmeter Zelle, manchmal zu zweit, eine Stunde Besuch pro Monat, kein Telefon. Abwechslung? Eineinhalb Stunden Laufen im grauen Hof, zwei Stunden Sport pro Woche, Arbeit von draußen ist knapp, der Fernseher kostet. In Trier zahlt sich Verbrechen nicht aus.

Vom grellen Winterlicht ins fensterlose, lampengelb durchzogene Dunkel. Jacke entleeren, Schuhe aus, Tasche - alles durchleuchten. Hinter dem gläsernen Pförtnerfenster flimmern schwarz-weiße Gänge über graue Bildschirme. Dann endlich: Die schwere metallene Tür aufgedrückt, die Treppe hoch ins Ungewisse, bis zwei doppelt gesicherte Ein- und Ausgänge den Weg versperren. Das Herz schlägt viel zu schnell. "Bedrückend", sagt Raimund Geilenkirchen, der mit fast dreißig anderen Schöffen aus dem gesamten ehemaligen Regierungsbezirk Trier heute ein paar Stunden Gefängnisluft atmet: "So eng habe ich es mir nicht vorgestellt". Die frisch verpflichteten Laienrichter sollen sich ein Bild von der Realität schaffen, in die sie Straftäter noch in diesem Monat zum ersten Mal schicken können. "Was meinen Sie, wie bedrückend es ist, wenn Sie hier mit Ihrem Köfferchen ankommen, das ihnen abgenommen wird, sich nackt ausziehen müssen und dann als Strafgefangener in die Anstaltsunterwäsche und den zugewiesenen Trainingsanzug zu steigen haben?", fragt Gefängnisleiterin Elena Deliargyris. Mit 224 Insassen sei die Trierer Justizvollzugsanstalt 39 Mann über Soll. Seit Jahren gehe das so. Trotz des Rechts auf acht Quadratmeter Einzelzelle müssen sich hier 82 Gefangene den Raum jeweils zu zweit teilen. In den 14 Dreierräumen verbringen manchmal vier Männer den Großteil ihres Tages. In einer leeren Sicherheitszelle liegt Uringeruch über dem deckellosen Metallklo, der Spiegel ist blind. Unerreichbar hoch, unter der Decke, wirft ein kleines Fenster etwas Licht durchs dicke Glas, das keinen Himmel ahnen lässt. Ein Klappbett, Schränkchen, Tischchen und ein Fernseher, der für fünfzehn Euro im Monat das "alte Leben" vorgaukelt - das ist die Welt. "Man sollte hier Schulklassen durchführen und sie spüren lassen, wie hinter jeder Tür ein Stück Freiheit weniger wartet, dann hätten wir später weniger zu tun", vermutet Roland Grundheber aus dem Schöffen-Pulk. Dumpfe Schritte durch die immer gleichen geraden Gänge: Wie um Orientierung zu schaffen, durchbrechen hier und da Muster in sinnlos scheinender Folge die blassgelben Wände - von Gefangenen gemalt. Hinter einigen Türen verstecken sich Bausteine einer Stadt: Werkhalle, Arztsprechzimmer, Zahnarzt-Raum, Großküche, Kiosk, Sporthalle, Kirche, Bibliothek, Aufenthaltsräume. Aber auch düstere Requisiten des Schutzes vor sich selbst: Sammeldusche - zu neunt, acht Minuten warmes Wasser; "besonders gesicherter Haftraum" Die Luft steht bewegungslos erhitzt. Daneben eine dunkle Zelle mit weißen Ledermanschetten und einer Eisenkette am Bett - zum Fixieren.Vorbereitung auf die Zeit danach

Von außen kommen nur die Anonymen Alkoholiker und ein Lehrer, der Deutsch und Lesen lehrt, regelmäßig. Auf die Zeit danach bereiten soziale Trainingskurse vor. "Es wird viel getan", sagt Leiterin Deliargyris. Im Schnitt habe jeder Beamte hier 150 Überstunden. "Durch Veranstaltungen versuchen wir, etwas Abwechslung für die Gefangenen zu schaffen", erzählt sie. Theatergruppen und Bands würden dann in der Aula auftreten: "Selbst die Leyendecker Bloas war schon da", trotz mageren Gagenbudgets. "Sehr leer", sei es gewesen, sagt Neuschöffe Norbert Freischmidt, als sich das Ausgangstor hinter ihm schließt. Fröstelnd zieht er die Schultern hoch. Er werde mehr nachdenken beim Verurteilen. Und doch: "Es bleibt unwahr. Ich bin frei und kann rausgehen."

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