Eltern sind Mangelware

Eine besondere Fleißarbeit leistet die Trierer CDU derzeit in Sachen Schulentwicklungskonzept: Man tourt mit Bürgergesprächen durch 17 Stadtteile. Der Entwurf des Konzeptes soll zur Diskussion gestellt werden. Der TV war bei einer der Veranstaltungen dabei.

 Wo spielt künftig die Musik für die Kinder der Schule am Reichertsberg? Geht es nach den Stadtteil-Vertretern, bleibt der Standort in Trier-West erhalten. TV-Archiv-Foto: Mechthild Schneiders

Wo spielt künftig die Musik für die Kinder der Schule am Reichertsberg? Geht es nach den Stadtteil-Vertretern, bleibt der Standort in Trier-West erhalten. TV-Archiv-Foto: Mechthild Schneiders

Trier. Ortstermin am Dienstagabend im Dechant-Engel-Haus in Trier-West. Gut 20 Bürger sind dem Aufruf der CDU gefolgt. Stadtrats- und Ortsbeiratsmitglieder, meist aus den eigenen Reihen, die örtlichen Schulleiter, dazu eine Phalanx von Pfarren und Sozialarbeitern aus der Stadtteilarbeit. Nur Eltern sind Mangelware.

Das ist kein Trier-Wester Spezifikum. "Wir freuen uns, dass heute Abend so viele gekommen sind", sagt der CDU-Ortsvorsitzende. "Anderswo waren es viel weniger", wirft einer der Trier-Wester leise ein, und es klingt sogar ein bisschen stolz.

Kaum interessierte Eltern in den Runden

 Wäre dringend und mit hohem Aufwand zu renovieren: Die Reichertsberg-Grundschule (links). In die Kurfürst-Balduin-Hauptschule hat die Stadt dagegen viel investiert. TV-Achiv-Foto: Dieter Lintz

Wäre dringend und mit hohem Aufwand zu renovieren: Die Reichertsberg-Grundschule (links). In die Kurfürst-Balduin-Hauptschule hat die Stadt dagegen viel investiert. TV-Achiv-Foto: Dieter Lintz



Der massive Eltern-Protest gegen Teile des Konzepts scheint sich auf Ausnahmen zu beschränken. Viele warten offensichtlich ab, vielleicht auch, weil die Ideen zur Schulentwicklung sehr komplex sind. 45 Minuten braucht Ignaz Bender, CDU-Mitglied am "Runden Tisch", um dem Publikum einige Grundzüge zu vermitteln. Bemerkenswert ehrlich schildert der Christdemokrat die Ausgangsposition: Eine "30-Millionen-Euro-Bugwelle" an dringend notwendigen Investitionen im Schulbereich schiebe die Stadt vor sich her, "und in zehn Jahren werden es 50 Millionen sein, wenn es so weitergeht wie bisher". Trier sei halt "keine reiche Stadt". Und die Schulen würden im Durchschnitt höchstens zur Hälfte für den Schulbetrieb genutzt.

Aber die ernüchternde Bestandsaufnahme verliert sich schnell im komplizierten Gewirr um Schulverbünde, Messzahlen, Laufwege, Verkaufserlöse, Entwicklungsprognosen oder Klassenstärken. Bender bemüht sich redlich um Neutralität, läst aber erkennen, dass er von elementaren Bestandteilen des Konzeptes wenig hält. Und jemand, der den Runden Tisch und seine ganzheitlichen Überlegungen offensiv vertritt, ist nicht im Saal.

Stattdessen eröffnet CDU-Fraktionschef Berti Adams die Debatte mit heftiger Kritik an dem Papier, das der zuständige Dezernent und Leiter des "Runden Tisches", Schuldezernent Holkenbrink (CDU), noch kürzlich als "exzellente Arbeitsgrundlage" bezeichnet und für das er seinem Gremium "hervorragende Sacharbeit" attestiert hatte. Ganz anders Adams: Es enthalte "viel zu wenig pädagogische Ansätze" und sei "eher ein Haushaltskonsolidierungskonzept". Die vorgeschlagenen Schulverbünde seien "sehr problematisch", die Auflösung der Schulbezirke sehe er "sehr skeptisch". Zudem empfehle er, "die Finger von den Grundschulen zu lassen". Er verspüre wenig Neigung, "im Fall von Schließungen eine Bürgerhaus-Debatte in den betroffenen Stadtteilen zu kriegen".

Da bliebe freilich vom Konzept so gut wie nichts mehr übrig. In Trier-West kommt das an. Der Stadtteil könnte mit Reichertsberg eine allseits hoch gelobte Grundschule verlieren, und die Kurfürst-Balduin-Hauptschule geht nach den Reform-Plänen des Landes in eine künftige "Realschule plus" ein - Standortfrage wahrscheinlich auf der anderen Moselseite. Auf die Belange des Stadtteils und die Bedeutung der Schulen für das soziale Umfeld werde zu wenig eingegangen, lautet die Kritik von allen Seiten. Man ist besorgt, dass Kinder aus einem problematischen familiären Umfeld "schlicht verloren gehen", wenn sie beispielsweise nach Euren in die Schule sollen.

Die Wunschliste, die die Trier-Wester den stets freundlich und aufmerksam nickenden CDU-Vertretern mitgeben, ist eindeutig: Erhalt aller Grundschulen und zügige Umwandlung in Ganztagsschulen, mehr Sekretariatspersonal statt neuer Organisationsstrukturen, mehr Lehrer für weniger Schüler, dazu eine zusätzliche vierte "Realschule plus" auf der Mosel-Westseite. Eine Gesamtschule am Wolfsberg, so signalisiert Adams, soll auch ins Portfolio aufgenommen werden.

Von Ignaz Benders eingangs genannten finanziellen Prämissen redet im weiteren Verlauf des Abends niemand mehr. "Wir dürfen doch unsere Geldnot nicht auf dem Rücken der Kinder austragen", sagt der CDU-Ortsvorsitzende am Ende unter allseitigem Beifall. Als ob die Stadt das im Schulbereich nicht seit Jahren täte.

Hintergrund Zeitplan: Angesichts der Vielzahl von Stellungnahmen zum Schulentwicklungskonzept zeichnet sich ein deutlich längerer Diskussionsprozess ab als bislang angedacht. Allein die Synopse der Änderungsvorschläge dürfte mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Da etliche Einwände die grundlegende Linie des Entwurfs berühren, teilweise aber von Gruppen kommen, die selbst an der Erarbeitung mitgewirkt haben, dürfte auch erheblicher Klärungsbedarf innerhalb des Runden Tischs bestehen. Die Lehrer-Gewerkschaft GEW hat unterdessen gefordert, den vorschulischen Bereich in das Konzept einzubeziehen. Neue Organisations-Strukturen, lokales Qualitätsmanagement und die Schließung einzelner Standorte, drei elementare Bestandteile des Konzepts, lehnt die GEW ab. Stattdessen fordert man generelle Ganztagsschulen, eine integrierte Gesamtschule in pädagogisch anspruchsvollster Form, Komplett-Sanierung der Schulen und bessere Ausstattung. Derweil macht sich die Pfarrei Liebfrauen für den Erhalt der Egbert-Schule stark - unter Verweis auf die "vielfältige und hervorragende Zusammenarbeit" zwischen Schule und Pfarrei. (DiL)

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