"Endlich fühle ich mich wieder als Mensch" - Flüchtlinge leben sich in Trier ein

Trier · 430 Flüchtlinge leben derzeit in Unterkünften, die von der Stadt Trier bereitgestellt werden. Einige Hundert werden noch im Dezember hinzukommen. "Es ist nicht einfach, aber wir bekommen das hin", sagt Bürgermeisterin Angelika Birk. Ohne aktive Nachbarschaftshilfe geht es aber nicht.

Trier. Die Zahl der Asylbewerber, anerkannten und geduldeten Flüchtlinge, die in Trier jenseits der Erstaufnahmeeinrichtungen leben, schwankt täglich. 550 sind der Stadt seit Beginn des Jahres zugewiesen worden. Aktuell sind 426 in Wohnungen und Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. So leben derzeit 30 alleinreisende Männer in Räumen der ehemaligen Jägerkaserne in Trier-West. 130 Männer, Frauen und Kinder haben drei Häuserblocks mit renovierten, aber spartanisch eingerichteten Wohnungen im Burgunderviertel auf dem Petrisberg bezogen.

"Uns geht es gut hier", sagt Fouaz Korabi. Der 41-jährige Innenarchitekt aus Syrien teilt sich mit fünf anderen Männern eine der Wohnungen dort. Er weiß seit wenigen Tagen, dass er drei Jahre lang in Deutschland bleiben darf. "Jetzt will ich so schnell wie möglich Deutsch lernen, eine Arbeit und eine eigene Wohnung finden - und natürlich meine Frau und die drei Kinder zu mir holen", übersetzt Ali Jameh (20) die Worte des Flüchtlings aus dem Arabischen. Ali ist ein Glücksfall für Fouaz Korabi und die anderen Neubewohner der ehemaligen Wohnsiedlung für französische Militärangehörige.

Der in Trier geborene Sohn eines irakischen Kurden und einer aus dem Libanon stammenden Mutter spricht perfekt arabisch und gehört zu der Initiative junger Menschen aus der Siedlung am Weidengraben, die sich schon vor Wochen auf die Ankunft der Flüchtlinge vorbereitet hatten. Als es dann so weit war, haben sie nach einem spontan organisierten Willkommensfest sofort mit deren Unterstützung begonnen.

"Wir sind fast täglich hier", sagen Ali und sein Freund Dennis Kudler. Bei alltäglichen Dingen, vor allem aber in der Formular schlacht mit den Behörden ist das wichtig. Beide sind von der Offenheit und Gastfreundschaft der Neu-Trierer begeistert. "Hier leben Christen und Moslems, Frauen, Männer und Kinder zusammen. Es gibt überhaupt keine Probleme untereinander."Beispielhaftes Engagement


Das Jugendzentrum Auf der Höhe und der Treffpunkt am Weidengraben sind zwei Beispiele dafür, wie ehrenamtliches Engagement zur Integration von Flüchtlingen beitragen kann. Der Bewohnerverein Petrisberg Connect engagiert sich für die neuen Nachbarn. Die Willkommenscafés (Café Welcome) in Trier-Nord und Euren zählen ebenso zu den Musterprojekten in der Stadt.

Darüber freut sich auch Sozialdezernentin Angelika Birk, die zudem die gute und effektive Zusammenarbeit mit der Ehrenamtsagentur (siehe Extra) lobt. Auch gebe es eine erfreuliche Zahl von Wohnungsangeboten. "Ich bin sehr froh, dass die ganz große Katastrophe bei der Unterbringung von Flüchtlingen ausgeblieben ist", sagt Birk. An der Belegung der ehemaligen Geschwister-Scholl-Schule in Trier-Nord ab Mitte Dezember führe aber kein Weg vorbei. Nach und nach sollen dort 140 Menschen untergebracht werden.

Die Situation ist dennoch angespannt. So seien der Stadt auf dem freien Wohnungsmarkt erste Fälle von Mietwucher und Diskriminierung bekannt geworden. Birk: "Wenn wir mitbekommen, dass sechs Leute in einem Zimmer mit Schimmel leben sollen, schreiten wir natürlich ein."

Schimmel ist in den renovierten Wohnungen im Burgunderviertel kein Thema. Dort wohnen auch die Brüder Jonny (35) und Abdel Ahad (32) Petrus. Die beiden Christen aus dem syrischen Aleppo waren im Abstand von drei Monaten vor dem Bürgerkrieg geflohen und haben sich vor einer Woche in Trier wiedergefunden. "Wir würden hier bleiben, aber auch in eine andere Stadt gehen, wenn wir dort Arbeit finden", sagt der Klimatechniker und Gas-Wasser-Installateur Jonny. Auch sie haben von den Vorurteilen gegenüber Flüchtlingen gehört. "Wir haben aber keine schlechten Erfahrungen gemacht", versichert Jonny. "Im Gegenteil: Alle Menschen sind sehr herzlich hier." Gewisse Einschränkungen gebe es nur für die Zeit in der überfüllten Erstaufnahmeeinrichtung.

Aber das ist für Fouaz Korabi, Jonny und Abdel Petrus Geschichte. "Ich habe auf meiner Flucht in Ungarn, Mazedonien und Serbien viele schlimme Momente erlebt", übersetzt der Trierer Ali Jameh die Worte seines neuen Freunds Fouaz. "In Deutschland und hier in Trier kann ich mich erstmals wieder als Mensch fühlen."Meinung

Alleine schafft es die Verwaltung nicht
Trier hat die Herausforderung bislang gemeistert - den Umständen entsprechend gut. So würde der medizinische Lagebericht lauten. Denn natürlich kommt es in Einzelfällen zu problematischen Situationen, wenn kurzfristig Unterkunft für Menschen gefunden werden muss. Dank der großartigen ehrenamtlichen Hilfe in vielen Stadtteilen gelingt es aber, auch diese Misstöne zu überlagern. Dabei ist die Situation komplizierter als sie scheint. Denn es sind nicht nur die Menschen zu versorgen, die aus den Erstaufnahmeeinrichtungen zugewiesen werden. Die Zahl der alleinreisenden minderjährigen Flüchtlinge, die der besonderen Fürsorge bedürfen, nähert sich in diesem Jahr bereits der Schallmauer von 1000. Zudem ziehen viele anerkannte Flüchtlinge - sie haben natürlich freie Wohnortwahl - in der Hoffnung auf Arbeit und wegen der guten Infrastruktur vom Land wieder in die Stadt.

Günstiger Wohnraum wird dadurch noch knapper. Die Verwaltung tut deshalb gut daran, alternative Möglichkeiten wie schnell zu errichtende Modulbauten zu realisieren. Massenunterkünfte wird es dabei auch weiterhin nicht geben, sofern Stadtvorstand und Rat der Maxime treu bleiben, durch dezentrale Unterbringung der Menschen deren Integration zu fördern. Denn dann werden auch weiterhin engagierte Trierer nicht abgeschreckt, ihren neuen Mitbürgern zu helfen. Wie es geht, zeigen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen des Jugendzentrums am Weidengraben. Chapeau! r.neubert@volksfreund.deExtra

Die Ehrenamtsagentur Trier ist Partner der Stadtverwaltung. Ihre Aufgaben reichen dabei über die Schulung und Vermittlung von Ehrenamtlichen hinaus: Erfassung von Angeboten, Projekten und Engagementmöglichkeiten in der Flüchtlingshilfe für die Stadt Trier. Beratung und Vermittlung Ehrenamtlicher. Beratung und Unterstützung von Institutionen und Vereinen. Qualifizierungsprogramm für ehrenamtliche Flüchtlingsbegleiter (in Kooperation mit der Stadt Trier und dem Diakonischen Werk). Fortlaufende Fortbildungsangebote für Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe. Austauschtreffen für Ehrenamtliche. Kontakt: Telefon 0651/9120702; E-Mail: kontakt@ehrenamtsagentur-trier.de r.n. ehrenamtsagentur-trier.de Ortsbeirat Kürenz: Wie geht es mit der Unterbringung von Asylbegehrenden im Burgunderviertel weiter? Diese Frage steht auf der Tagesordnung des Ortsbeirats Kürenz am Mittwoch, 9. Dezember, 20 Uhr, im Treffpunkt am Weidengraben. Im Abschluss an die Sitzung findet eine Bürgersprechstunde zu diesem Thema statt. red

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