Erdgas: Politik lässt Stadtwerken freie Hand

Trierer Politiker haben Einfluss auf die Rohstoff-Preispolitik der Stadtwerke (SWT). Dass der Konzern zum Wohl der Bürger auf Gewinne aus dem Gasverkauf verzichtet, ist für sie jedoch nicht denkbar. Erstens würde ein politisch motivierter Preisnachlass auf Gas die Besitzer von Öl-Heizungen benachteiligen. Zweitens füllen die SWT-Gewinne das Stadtsäckel.

Trier. Schreck in der Trierer Karl-Marx-Straße: Bei gleich fünf Nachbarn war der Gasverbrauch vom Winter 2006/07 auf Winter 2007/08 laut Stadtwerke-Rechnung um zehn, 29, 34, 60 und sogar 103 Prozent gestiegen. "Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen", wundert sich ein Hausbesitzer. Sein Verdacht: Russische Groß-Gaslieferanten würden ihrem Erdgas heimlich Luft beimischen, um die Einnahmen zu steigern. Das Gas-Luft-Gemisch sei allerdings weniger ergiebig und der Verbrauch deswegen bei ihm und seinen Nachbarn so stark gestiegen.

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Die tatsächliche Ursache ist profan: Der Winter 2006/2007 war laut Deutschem Wetterdienst der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1901. Die Temperaturen lagen durchschnittlich 4,6 Grad über denen eines "normalen" Winters. Vorteil: Es musste weniger geheizt werden, um es warm und gemütlich zu haben. Der Öl-, Gas-, Holz- oder Stromverbrauch war - je nach Heizart - geringer als in kalten Wintern.

Doch nicht nur der im Vergleich zum warmen Vorjahreswinter höhere Verbrauch in der Saison 2007/08 treibt die aktuellen Rechnungen in die Höhe. Obendrauf kommt der kräftige Rohstoff-Preisanstieg. Und im kommenden Oktober sollen die Gaspreise der Stadtwerke noch einmal um zehn Prozent steigen. Zum dritten Mal in diesem Jahr nach jeweils fünf Prozent im April und Juli.

Den nochmaligen Preisanstieg im Herbst hat der Stadtwerke-Aufsichtsrat bereits beschlossen. In dem Gremium sitzen sieben Mitglieder des Trie rer Stadtrats. Zusammen mit Oberbürgermeister Klaus Jensen hat die Kommunalpolitik so die Stimmenmehrheit im 15-köpfigen Rat - und könnte theoretisch die stetige Verteuerung verhindern.

Doch die Politiker sind sich einig: Die Stadtwerke sollen nicht zum Wohle ihrer rund 24 000 Gaskunden auf Einnahmen verzichten. Die 11,5 Millionen Euro Gewinn vor Steuern, die die SWT im vergangenen Jahr aus dem Verkauf von Gas, Wasser und Strom erzielt haben, dürften nicht abgeschmolzen werden, um Verbraucher vor weiteren Preisanstiegen zu bewahren. Wird das Gas im Einkauf für die SWT teurer, soll dies auch weiterhin in vollem Umfang an die privaten Endkunden weitergegeben werden.

"Würden wir einen Preisnachlass auf Gas politisch bei den Stadtwerken durchsetzen, würde das nur einen Teil der Bürger - nämlich die Gaskunden - entlasten. Wer mit Öl oder Holzpellets heizt, müsste weitere Preissteigerungen hinnehmen - das wäre ungerecht", argumentiert Triers Oberbürgermeister Klaus Jensen.

Ohnehin würde ein Verzicht der SWT auf Gewinne aus dem Gasverkauf die Rechnung des einzelnen Kunden nur um wenige Euro senken. "Eine wirklich spürbare Entlastung wäre das nicht", sagt Jensen. Auf der anderen Seite würden der Stadt - der die Stadtwerke mehrheitlich gehören und die mehr als die Hälfte der SWT-Einnahmen einstreicht - bei einem kompletten Gewinnverzicht der SWT jährlich rund sechs Millionen Euro im Haushalt fehlen. "Das hätte empfindliche Einsparungen an anderer Stelle zur Folge oder würde unsere Neuverschuldung in die Höhe treiben - zu Lasten nachfolgender Generationen."

Die Horror-Ankündigungen, dass im kommenden Winter arme Familien frieren müssten, weil sie sich das Heizen nicht mehr leisten könnten, hält Jensen für populistisch: "Niemand muss frieren. Entweder ist so viel Geld da, dass genug zum Heizen übrig bleibt, oder es besteht das Anrecht auf einen Heizkosten-Zuschuss."

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Extra Die Stadt übernimmt in der Regel die Heizkosten bei Empfängern von Sozialhilfe und Hartz IV sowie bei Rentnern, die Grundsicherung erhalten. Strom muss dagegen aus dem jeweiligen Regelsatz bezahlt werden. Wessen Einkommen knapp über der Sozialhilfe-Antragsgrenze liegt, kann ebenfalls bei der zuständigen Arge einen Antrag auf Heizkosten-Zuschuss stellen. Die Stadt Trier übernimmt derzeit für rund 4000 ihrer Einwohner die Heizkosten. Die gestiegenen Öl- und Gaspreise haben daher auch gewaltige Folgen für den städtischen Etat: Das Sozialamt rechnet mit "mehreren 100 000 Euro Mehrausgaben". (woc)

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