Ertappt und abgezockt

TRIER. Ein Detektiv hat ein System entworfen, dass auf Freiheitsberaubung, Betrug und Erpressung basiert. Von Kindern, alten Menschen, Behinderten und Ausländern, die er in einem Geschäft am Hauptmarkt beim Diebstahl von Kleinigkeiten ertappt hatte oder zu Unrecht des Landendiebstahls beschuldigte, forderte er 100 Euro Fangprämie. Seit dieser Woche sitzt er in Haft, ihm droht eine hohe Freiheitsstrafe.

Situationen wie diese tragen nicht zum Familienfrieden bei: Ulla K. (Name geändert) wird telefonisch informiert, dass ihre zwölfjährige Tochter in einem kleinen Geschäft in der Trierer Innenstadt beim Klauen erwischt worden sei und dort festgehalten werde. "Mein Mann fuhr sofort hin. Der Detektiv hat 100 Euro gefordert", sagt sie im Gespräch mit dem TV . "Andernfalls würde er die Polizei informieren." Der Fall war klar, die Kleine hat geklaut. Doch es war ein Bagatelldiebstahl, und 100 Euro sind viel Geld. Familie K. zahlt nicht und beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen. "Ich habe meine Tochter selbst wegen Ladendiebstahls bei der Polizei gemeldet und dabei auf die Forderung des Detektivs aufmerksam gemacht", sagt Ulla K., die auch die TV -Redaktion über die hohe Fangprämie informiert. Zu diesem Zeitpunkt hat der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Roos den Detektiv Patrick B. (Name geändert) bereits im Visier. Denn nicht nur Familie K. hatte die hohe Fangprämie gemeldet. "Es gab sehr viele Widersprüche gegen die Diebstahlsanzeigen dieses Detektivs, und das ist der Polizei aufgefallen", sagt Roos auf Nachfrage des TV . Eine Untersuchung brachte ein System ans Licht, mit dem Patrick B. in mehr als 170 Fällen ertappte Ladendiebe oder ungerechtfertigt Beschuldigte festhielt und zur Zahlung der 100 Euro erpresste. "Das ist ein wirklich perfides System, weil sich der Mann seine Opfer gezielt ausgesucht hat", betont Horst Roos: Kinder, alte Menschen, Gäste aus dem Ausland.Auch eine 80-Jährige wurde zum Opfer

Im Februar warf Patrick B. einem acht Jahre alten Jungen aus Luxemburg vor, er habe ein Feuerzeug im Wert von 99 Cent gestohlen. Die entsetzten Eltern zahlten 100 Euro, der Diebstahl wurde nie nachgewiesen. Im März 2004 bezahlte die 80-jährige Berta F. (Name geändert) eine Uhr, betrat das Geschäft aber erneut, da sie die Batterien vergessen hatte. Auf dem Weg zu diesem Regal kam sie an einem Ständer mit Duftöl vorbei. Die zwei Euro teure Flasche steckte sie in ihre Manteltasche, da sie eine ihrer Hände nicht mehr nutzen kann. Die Batterien zahlte sie an der Kasse, vergaß aber das Duftöl. Die verbalen Angriffe des 100 Euro fordernden Detektivs verursachten ein Trauma, von dem sie sich bis heute nicht erholt hat. Insgesamt 179 derartige Fälle hat die Staatsanwaltschaft mittlerweile gesammelt. Ständig kommen neue hinzu. "Die Geschädigten haben entweder gar keinen Ladendiebstahl begangen oder einen im Bagatellbereich", sagt Roos. "Die geforderte Fangprämie von 100 Euro war entweder gar nicht berechtigt oder in dieser Höhe ungerechtfertigt." Patrick B. hielt seine Opfer ohne Rechtsgrundlage fest. Viele durften erst gehen, nachdem sie oder ihre Eltern gezahlt hatten. Jetzt sitzt der Detektiv, ihm droht eine hohe Freiheitsstrafe. "Diesem Herrn wird nichts geschenkt", kündigt der Oberstaatsanwalt an. "Wir rollen jeden einzelnen Fall auf."

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