"Es gibt keinen Etat ohne Einsparpotenzial"

Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier hat die unausgeglichenen Haushalte der Stadt Trier und des Kreises Trier-Saarburg nicht genehmigt und fordert Haushaltsverbesserungen. Die Kommunen beklagen hohe Pflichtausgaben und fühlen sich chronisch unterfinanziert. Über die öffentlichen Haushalte und die Rolle der ADD sprach unser Redakteur Albert Follmann mit ADD-Präsident Josef Peter Mertes.

 ADD-Präsident Josef Peter Mertes am Fenster seines Arbeitszimmers im Kurfürstlichen Palais. TV-Foto: Albert Follmann

ADD-Präsident Josef Peter Mertes am Fenster seines Arbeitszimmers im Kurfürstlichen Palais. TV-Foto: Albert Follmann

Herr Präsident, Schulden ohne Ende, unausgeglichene Haushalte. Sind unsere Städte und Kreise noch zu retten?Josef Peter Mertes: Ja natürlich sind sie noch zu retten. Von den 20 Städten und 24 Landkreisen, die wir unter unserer Aufsicht haben, haben die wenigsten einen ausgeglichenen Haushalt. Am dramatischsten ist die Situation bei den großen kreisfreien Städten. Die Bestimmungen des Haushaltsrechts sind relativ streng. Das Gesetz fordert einen ausgeglichenen Haushalt. Wir müssen bei unserer Entscheidung aber auch das tatsächlich Mögliche im Auge haben und dürfen keine unerfüllbaren Forderungen aufstellen. Wir versuchen daher Wege zu finden, wie wir das Selbstverwaltungsrecht erhalten und den Kommunen dennoch einen Spielraum lassen können. Das Land Rheinland-Pfalz hat im Übrigen schon vor Jahren mit den Kommunen einen Solidarpakt geschlossen, damit auch bei Schwankungen hinsichtlich der Steuereinnahmen diese verlässlich ihren Haushalt planen können. Kürzlich wurde in Anerkennung der schwierigen Situation beschlossen, die Einnahmen der Kommunen für die nächsten Jahre zu verbessern. Fühlt man sich als Präsident der ADD nicht permanent wie ein ungeliebter Schiedsrichter, der Gelbe und Rote Karten verteilen muss?Josef Peter Mertes: Nein, das Bild ist ganz falsch. Wir nehmen unsere Aufgabe wahr, die uns der Gesetzgeber zugewiesen hat, nämlich über die Haushalte zu wachen, sie zu genehmigen und den Kreditrahmen festzulegen. Und das machen wir in sehr enger Kooperation mit den Kommunen. Es finden regelmäßig Gespräche unserer Kommunalaufsicht statt. In schwierigen Situationen nehme ich die Termine selber wahr. Das Ergebnis sind konkrete Absprachen mit fast allen Kommunen über einen Handlungs- und Kreditrahmen, denn wir haben ja auf eins zu achten, und das ist die kommunale Selbstverwaltung. Wenn wir uns aufspielen würden als Schiedsrichter, dann würden wir dieser nicht gerecht und die Vertreter in den Gemeinde- und Stadträten irgendwann ihr Interesse an der Gestaltung der örtlichen Lebensverhältnisse verlieren. Die Bürgermeister und Räte sagen, es sei kein finanzieller Spielraum da, um sich selbst zu verwalten. Josef Peter Mertes: Sicher ist der Spielraum eng. Man muss aber auch sagen, es gibt sehr wohl noch Möglichkeiten der Einsparung. Es gibt durchaus Kommunen, die zwar immer vorgeben zu sparen, aber sobald ein neues Projekt auftaucht, da wird nach Mitteln und Wegen gesucht, dieses Projekt auch umzusetzen. Wenn entsprechender Druck aus der Bevölkerung da ist, werden Dinge umgesetzt, wohlwissend, dass man neue Schulden macht, die natürlich dann dauerhaft belastend sind. Ich behaupte, wenn es die Kommunalaufsicht nicht gäbe, die wenigstens ein wenig korrigierend eingreift, dann wäre alles noch schwieriger.Sparen ist die eine Möglichkeit, den Haushalt zu konsolidieren, mehr Einnahmen durch höhere Umlagen die andere. Wollen Sie, dass die Umlagenschraube angezogen wird?Josef Peter Mertes: Wir sehen durchaus noch Spielräume für eine Erhöhung der Kreisumlagen, auch bei den Kreisen in der Region Trier. Wir beobachten, dass zum Beispiel die Verbandsgemeinden in der Lage sind, ihre Umlagen zu senken und damit die Belastung der Gemeinden auch bei einer Anhebung der Kreisumlage nicht ansteigt. Wie viele Miesen dürfen's denn sein? Man hat manchmal den Eindruck, es geht zu wie auf dem Basar in Marrakesch. Erst muss der Kreis Trier-Saarburg 1,9 Millionen Euro einsparen, dann spricht der Landrat bei Ihnen vor und danach sind es nur noch 1,2 Millionen Euro.Josef Peter Mertes: Nein, dass würde ja dem Bild von einem entsprechen, der da oben auf dem Olymp sitzt und sagt ‚weiche hinweg'. Wir hören ja auf die Argumente, wenn die Verwaltungschefs mit uns reden. Wir führen einen intensiven Dialog mit den Kommunen. Und es ergeben sich tatsächlich in nahezu allen Haushalten noch Möglichkeiten der Einsparung. Es gibt keinen Haushalt in Rheinland-Pfalz, bei dem keine Einsparpotenziale vorhanden sind. Daher ist es immer wieder erforderlich, in Einzeldiskussionen das Machbare zu erschließen und umzusetzen. Dies schließt auch mögliche Korrekturen in Bezug auf die Forderungen der Aufsichtsbehörde nicht aus. Es wird aber immer noch auf einem hohen Niveau gewirtschaftet.Wo würden Sie denn noch Einsparpotenziale sehen?Josef Peter Mertes: Das ist natürlich schwer zu sagen, weil wir die kommunale Selbstverwaltung achten. Wir werden auch in Zukunft nur beispielhaft Hinweise geben, wo die Stadt Trier oder ein Landkreis sparen kann. Würden wir zwingend vorgeben, was zu streichen ist, dann würden wir zu Recht kritisiert werden. Wir haben im Vorfeld der diesjährigen Haushaltsberatungen die Kommunen gebeten, ihre freiwilligen Leistungen aufzulisten und sie uns mitzuteilen. Allerdings gestehen wir den Kommunen auch ein gewisses Maß an freiwilligen Leistungen zu. Es wäre ja auch nicht hinnehmbar, wenn wir der Stadt Trier ihr Theater streichen müssten oder was auch immer sonst an wichtigen Einrichtungen vorgehalten wird. Meines Erachtens gibt es aber auch bei den Pflichtaufgaben Bestpractice-Beispiele von bestimmten Kommunen, von denen man sparen lernen kann. Gerade in Trier haben wir bei den Haushaltsberatungen erlebt, dass der Stadtvorstand bestimmte Gebührenerhöhungen in seinem Entwurf hatte, die der Stadtrat aber nicht beschlossen hat. Aber höhere Parkgebühren in Trier würden ja bei weitem nicht ausreichen…Josef Peter Mertes: Das ist richtig, Trier würde damit den Haushalt nicht ausgleichen können. Sie können ja auch nicht etwas, was 20 Jahre in eine Richtung gelaufen ist, von heute auf morgen korrigieren. Da wo es möglich ist, müssen aber auch die Einnahmen erhöht werden, sei es durch Steuereinnahmen oder Gebühren. Würde man dies unterlassen, so würden die Defizite ungebremst ansteigen. Dies kann in niemandes Interesse sein. Die Stadt Trier und der Kreis Trier-Saarburg sind nun gezwungen, jede Investition bei der ADD genehmigen zu lassen. Das erhöht doch den Verwaltungsaufwand. Wollen Sie das?Josef Peter Mertes: Solange der Haushalt nicht genehmigt ist, gelten besondere Bedingungen. Die Kommunen haben es aber in der Hand, ihren Beitrag dazu zu leisten, um möglichst rasch zu einem vollzugsfähigen Haushalt zu kommen Es ist nicht zwingend, dass dadurch der Verwaltungsaufwand erhöht wird. Es ist ja auch so, dass Maßnahmen zurückgestellt werden können, die nicht unbedingt begonnen werden müssen. Bei wirklich dringenden Maßnahmen sind wir auch nicht kleinlich. Der Verwaltungsaufwand ist relativ gering. Zur Person Josef Peter Mertes (62) ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Schweich-Issel. Der Diplom-Pädagoge arbeitete vor seiner Ernennung zum ADD-Präsidenten als Grund-, Hauptschul- und Sonderschullehrer und engagierte sich in Personalvertretungen. 1983 folgte die Promotion zum Doktor der Philosophie (magna cum laude) an der Universität Frankfurt. 1991 wurde Josef Peter Mertes SPD-Landtagsabgeordneter, 2000 zum ADD-Präsidenten ernannt. (alf)EXTRA Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ist staatliche Aufsichtsbehörde nach der Gemeinde- und Landkreisordnung für 24 Landkreise, zwölf kreisfreie Städte und acht große kreisangehörige Städte in Rheinland-Pfalz. Sie hat die Aufgabe, das Handeln der Kommunen auf seine Übereinstimmung mit den gesetzlichen Regelungen zu überwachen. Eine bedeutende Aufgabe ist es dabei, die Haushalte dieser Kommunen zu prüfen. Da viele dieser Haushalte unausgeglichen sind, das heißt, die Einnahmen nicht ausreichen, um die Ausgaben zu bestreiten, muss die Aufsichtsbehörde darauf drängen, den Ausgleich herbeizuführen oder zumindest diesem Ziel möglichst nahe zu kommen. (alf)

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