„Es ging mir schon mal besser“: Trierer Strafverteidiger legt vor Gericht Geständnis ab

Trier · Ein bekannter Trierer Strafverteidiger ist wegen Untreue und Betrugs angeklagt. Vor Gericht erklärt er, wie es dazu gekommen ist.

Der Mann im grauen Anzug mit roten Einstecktuch, weißem Hemd und roter Krawatte hat, als er am Donnerstagmorgen kurz vor neun Uhr den Saal des Trierer Landgerichts betritt, von seinem Auftreten her gar keine Ähnlichkeit mit dem 55-Jährigen, der davor schon etliche Mal durch die Tür gekommen ist. Es ist ein bekannter Trierer Strafverteidiger, der selbstbewusst in Prozessen, auch außerhalb der Region, auftritt. Der im Gerichtssaal auch mal Zeugen härter angeht, der auch Dispute mit Staatsanwalt und Richtern nicht scheut. Und er steht gerne in der Öffentlichkeit, gibt bereitwillig Auskünfte zu seinen Prozessen.

Doch von all dem ist am Donnerstagmorgen nichts zu erkennen. Fast scheu blickt er zu den Medienvertretern, als wäre es ihm peinlich, wenn sie ihn so sehen. Der 55-jährige Trierer wirkt mitgenommen, angeschlagen, fast schon gebrechlich "Und?" fragt ihm im Flur vor Beginn der Verhandlung ein Kollege. "Ging mir schon mal besser", sagt der 55-Jährige. Er ist bleich, schaut unter sich, als er Platz nimmt. Der Anwalt sitzt dieses Mal auf der anderen Seite des Gerichtssaal. Er ist Angeklagter. Untreue und Betrug werden ihm vorgeworfen. 20 Minuten benötigt Staatsanwalt Ole Nannen, um die angeklagten neun Fälle, die sich zwischen 2010 und 2015 ereignet haben sollen, zu verlesen. Über 20.000 Euro beträgt die Summe, die sich der 55-Jährige in dieser Zeit erschwindelt haben soll.

In einem Fall soll der Anwalt Geld, das er im Auftrag einer Mandantin, die er, wie später sagt, seit Schulzeiten persönlich kennt, von einem Schuldner eintreiben sollte, was dieser schließlich in Raten zahlte, selbst kassiert haben. Die Mandantin hat davon nichts mitbekommen. Bis heute habe er das Geld noch nicht vollständig zurückgezahlt, sagt der Angeklagte später. In anderen Fällen soll der Anwalt zu Unrecht von Mandanten Honorarvorschüsse verlangt haben, obwohl er als vom Gericht bestellter Pflichtverteidiger zunächst aus der Staatskasse bezahlt wird. Dem Gericht, so der Staatsanwalt, habe er aber verschwiegen, dass er bereits Honorar von seinen Mandanten kassiert habe.

Auch soll der Anwalt einmal von einem in Untersuchungshaft sitzenden Mann 15.000 Euro verlangt haben, angeblich um damit eine Kaution zu zahlen, damit dieser aus dem Gefängnis kommen soll. Das Gericht habe die Kaution abgelehnt, sagt Annen. Trotzdem habe der Anwalt das Geld behalten. Und all das, weil sein Geschäftskonto zu diesem Zeitpunkt mit über 12.000 Euro in den Miesen gewesen sei. Mit den einbehaltenen Geldern soll der Angeklagte versucht haben, das Minus zu reduzieren. Der Vorsitzende Richter Armin Hardt, mit dem sich der Angeklagte als Strafverteidiger schon so manches Wortgefecht vor Gericht geliefert hat, spricht davon, dass es sich bei den Vorwürfen keinesfalls um Bagatellen, "sondern um Kriminalität mittleren Ausmaßes", handele.

Ein Anwalt sagte unserer Zeitung, der in Trier verhandelte Fall sei nicht ungewöhnlich. Es gebe immer wieder Kollegen, die sich aus ihnen anvertrauten sogenannten Fremdgeldern bedienten. Wenn dann nicht mehr genügend Geld da sei, um an Mandanten zu überweisen, oder die Bank eine weitere Überziehung des Kontos nicht mehr zulasse, fliege die Sache meistens auf.

Auch Jürgen Hött, Pflichtverteidiger des Angeklagten, sagt, dass er schön öfter Kollegen vor Gericht verteidigt habe. Zumeist sei es dabei um Steuerstrafsachen gegangen. Aber immer, wie auch in diesem Fall, gehe es ums Geld. Neben Hött verteidigt auch der namhafte Berliner Anwalt Mark Höfler den Angeklagten. Höfler betreibt zusammen unter anderem mit den Linken-Politiker Gregor Gysi eine Kanzlei in der Bundeshauptstadt. Höfler ist es auch, der nach Verlesung der Anklage ein sogenanntes Rechtsgespräch mit Gericht und Staatsanwalt anregt. Dabei geht es darum auszuloten, welches Strafmaß die Richter bei einem umfänglichen Geständnis ins Auge fassen. Es dürfte das erste Mal sein, dass der Angeklagte nicht selbst bei einem solchen Gespräch dabei sein darf. So geht der 55-Jährige auf dem Flur vor dem Gerichtssaal auf und ab, während hinter verschlossenen Türen über seine private und persönliche Zukunft verhandelt wird. Ergebnis des "Deals": Der Anwalt erhält bei einem Geständnis eine Freiheitsstrafe von mindestens einem halben und höchstens einem Jahr auf Bewährung. Damit, so Verteidiger Hött, könnte er seine Zulassung als Anwalt behalten (siehe Info).

Nach einer Pause legt der Angeklagte dann tatsächlich ein Geständnis ab und gibt alle ihm zur Last gelegten Vorwürfe zu. Als Gründe für die Veruntreuung und den Betrug gibt er "enorme persönliche Probleme" an und nennt als Gründe Geldsorgen, Scheidung und Forderungen des Finanzamts in sechsstelliger Höhe. 2014 habe er von sich aus Insolvenzantrag gestellt. Das Verfahren laufe noch bis Ende 2020. Seitdem sei er auch kein selbstständiger Anwalt mehr, sondern Angestellter in einer GmbH, die sein Büro übernommen habe. Auf 500.000 Euro beziffert der Anwalt, der als Hobby Skifahren und Tauchen angibt ("Falls ich es mir noch leisten kann"), seine Verbindlichkeiten.
Der Prozess soll am 15. August fortgesetzt werden. Dann soll auch das Urteil fallen.

BEI HAFTSTRAFE DROHT ENTZUG DER ZULASSUNG
Anwälten droht bei einer Verurteilung mit einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr der Entzug der beruflichen Zulassung. In der Bundesrechtsanwaltsordnung heißt es dazu: "Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist zu widerrufen, … wenn der Rechtsanwalt infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter verloren hat." Ein Strafmaß wird nicht genannt. In der Regel gilt aber eine Haftstrafe von mindestens einem Jahr als Untergrenze. Allerdings muss nach einer Verurteilung die zuständige Rechtsanwaltskammer darüber entscheiden, ob der betreffende Anwalt weiter seinen Beruf ausüben darf. Auch ein Insolvenzverfahren, das über das Vermögen eines Rechtsanwaltes eröffnet wird, kann dazu führen, dass er seine Zulassung verliert.

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