Infrastruktur "Es hätte auch schief gehen können"

TRIER. In dieser Woche ist es 30 Jahre her, dass die Stadt Trier nach langwierigen und komplizierten Verhandlungen das Gelände des damaligen Flugplatzes Euren übernehmen konnte. In dem seinerzeit geschaffenen Industrie- und Gewerbegebiet arbeiten inzwischen mehr als 6000 Menschen.

Man muss schon genau hinschauen, wenn man heute noch die Spuren des einstigen Flugplatzes erkennen will. Ein Stück Landebahn entlang der Hanns-Martin-Schleyer-Straße, wenige Reste alter Hallengebäude, eine Bushaltestelle, die "Alte Rollbahn" heißt: Da ist nicht viel übrig geblieben von der seinerzeit riesigen Anlage. Alte Fotos und Karten zeigen die Ausdehnung, die der Flugplatz und die zugehörigen Militär-Einrichtungen im letzten Jahrhundert zumindest zeitweise beanspruchten. Von der Mosel bis fast zur Eisenbahn-Weststrecke dehnte sich das Areal aus, an den Seiten begrenzt durch die Ortsgrenzen von Zewen und Euren. Der unmittelbare Flugplatz erstreckte sich zwischen Mosel und Luxemburger Straße, etwa von der Höhe der heutigen Diedenhofener Straße bis zum Schloss Monaise. Exakt jene Fläche, die sich die Trierer Stadtoberhäupter Anfang der 70er-Jahre als Wunschobjekt für ein großflächiges, stadtnahes Industrie- und Gewerbegebiet auserkoren hatten. In der beengten Stadt platzten in dieser munteren Wachstumsphase Industriebetriebe reihenweise aus den Nähten. Gleichzeitig wuchs das Bedürfnis der Bürger, im schicker werdenden Wohnumfeld von den Nebenwirkungen industrieller Produktion verschont zu bleiben. Eine explosive Mischung, drohte doch der Massen-Exodus arbeitsplatz- und gewerbesteuerträchtiger Unternehmen ins Umland oder gar in ferne Regionen. Dem hätte man gerne vorgebeugt, doch die ersehnte Eurener Flur stand nicht zur Verfügung - jedenfalls zunächst. Die Franzosen hatten hier eine Leichthubschrauber-Einheit stationiert, auch die deutsche Bundeswehr meldete Begehrlichkeiten an, unterhielt man doch in Trier noch Teile eines Luftwaffenversorgungsregiments. Zudem sorgte der Aero-Club Trier für regen privaten und Hobby-Luftverkehr in Euren.

Der damalige Erste Bürgermeister Hans König (SPD) leitete 1970 ein riskantes "Spiel" über mehrere Banden ein, unterstützt von CDU-OB Josef Harnisch. Die Stadt kaufte ein fast 100 Hektar großes ehemaliges Hofgelände in Föhren. Es sollte als alternativer Flugplatz-Standort ins Gespräch gebracht werden. Gleichzeitig kaufte man den Vereinigten Hospitien eine große Flugplatz-Randfläche an der Mosel ab und bot sie der Tabakfabrik "Neuerburg" an, deren künftiger Besitzer Reynolds Tobacco dringend einen ausbaufähigen Standort suchte. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch völlig unklar, ob der Flugplatz Euren jemals in Trierer Besitz kommen würde.

"Die Sache hätte genau so gut schief gehen können", resümierte 1974 der Lokalchef des Trierischen Volksfreunds , Norbert Kohler. "Es waren erhebliche Finanzmittel investiert worden, ohne dass jemand wusste, ob der Tausch überhaupt zustande kommt", erinnert sich der Journalist heute. Reynolds begann 1971 zu bauen - und schaffte so erst einmal Fakten. Parallel zu Königs Bemühungen in Trier zog dessen SPD-Kollege Karl Haehser, damals Staatssekretär im Finanzministerium, die Fäden in Bonn. "Da gab es jede Menge diplomatische Verwicklungen", erzählt der heute 76-Jährige. Die Verteidigungspolitiker mochten ihren französischen Verbündeten den Flugplatz "nicht so einfach wegnehmen". Und die Finanzpolitiker gedachten, wenn es denn schon zu einem Verkauf des bundeseigenen Gelände käme, den bestmöglichen Preis zu erzielen. Haehsers diplomatischem Kraftakt war Erfolg beschieden, auch wenn die Verhandlungen zwei Jahre dauerten. Im September 1974, da war Föhren schon zwei Jahre fertig gestellt, unterzeichneten Vertreter der Stadt und der Bundesregierung in einer Art "kommunalem Staatsakt" (Kohler) eine "Verlegungs-Vereinbarung", die den kompletten Eurener Flugbetrieb samt den Franzosen nach Föhren transferierte und so den Weg für die Einrichtung des ersehnten Industrie- und Gewerbegebietes frei machte. Es dauerte noch drei Jahre, bis Zug um Zug alle Nutzer des Flugplatzes umgesiedelt waren. Im März 1977 konnte, durchaus symbolträchtig, die damals prosperierende Moselland-Ausstellung erstmals ihre Tore auf der alten Rollbahn öffnen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte man schon hoffnungsvoll mit der Hoechst-Tochter Kalle den ersten Groß-Ansiedler begrüßt. Doch das Chemie-Unternehmen geriet zum Exempel für geplatzte Träume, als die großen Multis in den 80er-Jahren begannen, ihre "verlängerten Werkbänke" zu schließen. Der Traum vom neuen Mammut-Arbeitgeber in Euren erfüllte sich nicht, es blieb aber die erfolgreiche Rolle als Entwicklungsfläche für expansionswillige Unternehmen aus Stadt und Region. Reynolds und Faber Sekt, Peppino und Hase, Köhl und Trierischer Volksfreund : Die Liste ist lang. Inzwischen zählt das städtische Wirtschaftsförderungsamt 140 Betriebe mit 6000 Arbeitsplätzen. 1984 konnte man im Rahmen der Deutschland-Rallye noch Sonderprüfungen auf dem alten Flugplatz fahren - heute schon mangels freier Groß-Flächen undenkbar. Die Mosellandausstellung ist längst Richtung Messepark weiter gewandert, manche optimistische Firmengründung endete in der Insolvenz.

Ausgerechnet an exponierter Stelle steht mit dem ehemaligen Junkes-Komplex ein großes Areal leer. Gründerzeiten würde man es nicht nennen, aber die Stadt meldet immer noch wachsende Nachfrage. Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, wann auch noch die letzten Spuren des alten Flugplatzes verschwunden sein werden.

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