Ethik auf dem Teller

Im Laufe eines Lebens isst jeder Deutsche im Schnitt drei Rinder, 46 Schweine und 926 Hühner. Doch es gibt Menschen, die ohne Fleisch auskommen. Die meisten werden durch Zufall Vegetarier und bleiben es dann aus Überzeugung. Der TV hat sich bei zwei von ihnen erkundigt, was es heißt, ganz ohne Fleisch zu leben.

 Für Vegetarier ist Fleisch tabu, Veganer leben ganz ohne tierische Produkte: Für Lydia Sieberath und Sebastian Glasior ist eine Schale Salat immer die bessere Wahl. Damit gehören sie in Deutschland zu einer Minderheit: Die meisten Deutschen essen gerne Fleisch. TV-Foto: Kim-Björn Becker

Für Vegetarier ist Fleisch tabu, Veganer leben ganz ohne tierische Produkte: Für Lydia Sieberath und Sebastian Glasior ist eine Schale Salat immer die bessere Wahl. Damit gehören sie in Deutschland zu einer Minderheit: Die meisten Deutschen essen gerne Fleisch. TV-Foto: Kim-Björn Becker

Trier. Mit prüfendem Blick mustert er das bunte Angebot, ehe er sich für etwas entscheidet. Die Salatbar in einer Cafeteria der Trierer Universität bietet auf den ersten Blick viel Auswahl, aber eben nur auf den ersten. Das genaue Hinsehen, im Supermarkt wie im Restaurant, hat Sebastian Glasior mittlerweile verinnerlicht: Der 22-Jährige studiert in Trier Politikwissenschaft, und er ist Vegetarier. Genau genommen lebt er sogar vegan, nimmt also gar keine tierischen Produkte zu sich. "Für Veganer ist die Auswahl nochmals geringer, wir essen ja weder Eier noch Milchprodukte", erklärt er. Das cremige Salatdressing? Geht nicht, sagt Sebastian, da sei Sahne drin.

Der Großteil der Deutschen kennt diese Sorgen nicht — nur zwischen einem und sechs Prozent der Deutschen leben vegetarisch, präzisere Zahlen gibt es nicht. Die übrigen haben eine ausgeprägte Lust auf Fleisch: Drei Rinder, 46 Schweine und 926 Hühner sind die durchschnittliche Bilanz eines Lebens, wie der Westdeutsche Rundfunk (WDR) und der Norddeutsche Rundfunk (NDR) jüngst recherchierten.

Student Sebastian ist seit zwei Jahren Vegetarier: "Auf einer Reise durch Südamerika sah ich, wie tote Tiere auf einem Markt zum Kauf angeboten wurden. Das hatte so gar nichts mit den appetitlich verpackten Filets aus deutschen Supermärkten zu tun. Das waren Leichen", sagt er. Der Schritt zum Veganismus war für ihn nur konsequent: "Ich habe viel über Ernährung gelesen und will nicht, dass der Mensch Tiere ausbeutet. Ich nehme keine tierischen Produkte zu mir, da ich die Bedingungen ablehne, unter denen sie entstanden sind."

Bereits seit 17 Jahren isst Lydia Sieberath (27) kein Fleisch mehr, bisweilen lebt sie auch vegan. "Ich mache das aus Überzeugung", sagt sie und erinnert sich noch gut daran, dass ihre Eltern den Entschluss damals zunächst mit wenig Verständnis aufgenommen haben. "Ich bin in einer dörflichen Gegend aufgewachsen und mit Tieren groß geworden, weshalb ich sehr früh dafür sensibilisiert wurde, dass auch Tiere eine Seele, eine Persönlichkeit haben." Besonders gut erinnert sie sich an die Schreie von Tieren, die zum Schlachthof abtransportiert wurden. "Vegetarismus ist mehr als nur eine Art der Ernährung, es ist eine Lebensweise", sagt Lydia, die im vergangenen Jahr an der Universität Trier ihren Abschluss als Pädagogin gemacht hat. Aspekte wie Verantwortung und Nachhaltigkeit spielen in dieser Lebensweise eine Rolle — das Schattendasein des Vegetarismus ist längst umgeschwungen zu einer modernen Lifestyle-Bewegung. Es gibt Vegetarier-Verbände und regionale Stammtische, auch in Trier. Auf der Internetseite "StudiVZ" hat Sebastian eine Gruppe für Trie rer Vegetarier gegründet, allein 60 Studenten sind ihr virtuell beigetreten. Und auch das Angebot für Vegetarier in Restaurants, sagen beide, sei mittlerweile akzeptabel. "Ein Meilenstein war, dass es in der Trierer Mensa jeden Tag ein vegetarisches Gericht gab", erinnert sich Lydia. Für Sebastian, der darüber hinaus vegan lebt, reicht das meist nicht aus — die Salatbar ist dann seine letzte Zuflucht, um etwas Genießbares gegen den Hunger zu finden. Notfalls eben auch ohne das sahnige Dressing.

In der Serie "Wir sind anders!" präsentiert der TV Persönlichkeiten aus der Region, die aus der Statistik ausreißen und dem Durchschnitt das Außergewöhnliche entgegensetzen.

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