Euren liegt mitten in Amerika

EUREN. Euren liegt etwa auf halber Strecke zwischen Luxemburg und Brussels. Zur Autobahn ist es nicht weit, und auch das Ufer ist nur wenige Kilometer entfernt. Allerdings liegt dieses Euren nicht am Trierer Moselstrand, sondern am Michigansee im US-Bundesstaat Wisconsin, wo es um 1856 von Trierern gegründet wurde.

Auf einmal stand er da: im August 2003, bei der Eröffnung der Eurener Kirmes, übergab Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink ein Blatt Papier. Mit Grüßen aus Euren, Wisconsin: Thomas Urquardt war extra aus den Vereinigten Staaten nach Trier geflogen, um dem Trierer Stadtteil "seinen Namensvetter" in der Neuen Welt in Erinnerung zu rufen - "from Euren to Euren". Nach der offiziellen Begrüßung habe der Gast aus Übersee verloren im Festzelt gestanden, erinnert sich Adolf Welter, passionierter Eurener Lokalhistoriker. Also hätten seine Frau und er sich des Besuchers angenommen und mit ihm in den folgenden Tagen einige Ausflüge in die Umgebung unternommen: zum amerikanischen Soldaten-Friedhof im luxemburgischen Hamm, zu den Trierer Sehenswürdigkeiten und natürlich quer durch Euren. Dabei stellte sich heraus, dass Urquardt nicht zum ersten Mal an der Mosel war. Von 1956 bis 1958 war er als Wetterbeobachter der amerikanischen Streitkräfte auf dem Militärflughafen Trier-Euren stationiert. Viele Jahre später hatte Urquardt, inzwischen nach Green Bay in Wisconsin zurückgekehrt, seine zweite Begegnung mit Euren. Eines Tages sei er den Highway 57 entlang gefahren, als er auf einmal ein Schild gesehen habe, das auf einen Ort namens Euren hinwies. Er habe sofort angehalten und den Ort aufgesucht, der ihn an seine Militärzeit in Trier erinnerte. In dem Dorf angekommen, habe er mit einem Bewohner gesprochen und seitdem bei mehreren Besuchen viel über Euren/Wisconsin und seine Gründung erfahren. Im Jahr 1856 wanderten Maria und Michael Bottkol, gebürtiger Österreicher, mit ihren fünf Kindern aus der damals selbstständigen, im preußischen Regierungsbezirk Trier gelegenen Gemeinde Euren über Frankreich in die USA aus. Am 7. Juni 1856 kamen sie in New York an. Von da aus fuhren sie auf einem Boot den Hudson River hinauf. Dann weiter über die großen Seen bis ans südwestliche Ufer des Michigan, nach Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin, der acht Jahre zuvor als 30. Mitglied in die Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen worden war. Dort kaufte Michael Bottkol ein Stück Wald, das er zusammen mit seinen Söhnen Michael, Georg und Mathias urbar machte. Sie bauten ein Haus, und Vater Michael säte Getreide. Nach und nach bauten sich auch seine Söhne Häuser, doch Farmer werden wollten sie nicht. Vielmehr eröffneten sie einen Gemischtwarenladen und im Jahr 1871 ihre erste Mühle, der weitere folgten. So entstand ein kleiner Ort, den sie Bottkolville nannten - das heutige Euren. Das Dorf, das manche Einwohner nach Auskunft von Thomas Urquardt eher als "größere Straßenkreuzung" bezeichnen, hat heute etwa 100 Einwohner. Ortsnamen wie Brussels, Luxemburg, Namur, Kollberg, New Franken oder Pilsen künden noch immer von den vielen französischen und deutschen Einwanderern, die die Gegend des heutigen "Kewaunee Country" vor 150 Jahren besiedelten. Thomas Urquardt hat nach seinem Besuch in Deutschland seine Nachforschungen über die Geschichte der Bottkols und Eurens fortgesetzt und sogar einen Urenkel Georg Bottkols ausfindig gemacht. Auch Adolf Welter hat Kontakt zu einem Familienforscher aufgenommen.Vielleicht, so meinen sie, gibt es dies- und jenseits des Atlantiks Eurener, die miteinander verwandt sind - ohne es zu wissen. Wer weiß: Vielleicht stehen eines Tages mehrere Amerikaner im Festzelt der Eurener Kirmes und feiern ein Familienfest.

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