Eva, Emma und die 68er - Verwaltung und Politik: Frauen in der Unterzahl

Zwar sind bis zu 80 Prozent der Azubis in der Stadtverwaltung weiblich, in Führungspositionen sitzen allerdings nur gut 23 Prozent Frauen. In den politischen Gremien der Stadt ist das Verhältnis zumindest etwas ausgeglichener. Eine Frauenbeauftragte will das Rathaus künftig nur noch mit halber Stelle beschäftigen.

Trier. Zwischen der alttestamentarischen Eva und der ersten Ausgabe der feministischen Zeitschrift Emma (Januar 1977) liegen grob geschätzt Jahrtausende. Richtig Schwung gekommen in die Sache mit der Gleichberechtigung und der Selbstbestimmtheit von Frauen ist allerdings erst in den 40 Jahren seit 1968: Zuerst wurden BHs verbrannt, dann lila Latzhosen getragen und jetzt hat Deutschland Angela Merkel, Ursula von der Leyen (und mit ihr die Elternzeit für Männer) und seit August 2006 sogar ein Antidiskriminierungsgesetz. Nicht nur Frauen haben es seitdem noch einmal schriftlich, dass sie nicht unterdrückt und benachteiligt werden dürfen.
„Bei uns ist bisher kein Verstoß gegen das Gesetz bekannt geworden“, erklärt der städtische Pressesprecher Ralf Frühauf. Auch bei der Besetzung von Stellen habe sich noch niemand auf das Gesetz berufen. Der Anteil weiblicher Führungskräfte in der 1200-Mann-und-Frau-starken Verwaltung stagniert trotzdem: 1996 wurden 21,4 Prozent der rund 40 städtischen Ämter von Frauen geleitet, 2005 waren es 23,4 Prozent. Neuere Zahlen hat die Verwaltung zwar noch nicht erhoben, „aber diese Entwicklung stagniert zurzeit“, erklärt Frühauf.

Die Zahl der „normalen“ Mitarbeiterinnen in der Stadtverwaltung wächst dagegen kontinuierlich: 1996 machten Frauen 28,6 Prozent der Belegschaft aus, 2005 waren es 32,5 Prozent. „Und der Frauenanteil steigt stetig weiter“, sagt Pressesprecher Frühauf. Bei den Auszubildenden sind es gar bis zu 80 Prozent.

Gerechtigkeit herrscht im öffentliche Dienst bei der Bezahlung: Männer und Frauen werden nach Beamten-Gehaltsstufen beziehungsweise Tarif bezahlt – wer in gleicher Funktion arbeitet, erhält dafür das gleiche Entgelt. In der freien Wirtschaft ist das häufig anders: Dass Frauen gleiches leisten wie Männer, aber 25 Prozent weniger Lohn erhalten, ist keine Seltenheit.

In den – ehrenamtlichen – politischen Gremien der Stadt ist die Sache ebenfalls kaum ausgeglichen: Neun von 19 Ortsbezirken stehen zwar Frauen vor. In den Ortsbeiräten mit insgesamt 247 Mitgliedern sitzen stadtweit allerdings nur 68 Frauen. Rein männlich ist gar der neunköpfige Rat von Trier-Filsch.

Im Stadtrat besetzen 21 Frauen die 52 Sitze. Einzig die neun Grünen haben mehr Frauen (fünf) als Männer (vier). Bei der FDP gibt’s ein weibliches Drittel, unter den acht UBM Vertretern sind zwei Frauen, bei der SPD sind es fünf „Rätinnen“ und sechs Räte und bei der CDU immerhin acht von 21 Ratsmitgliedern weiblich.

Die erste Frauenbeauftragte der Stadt Trier, Maria Rieger-Nopirakowsky, ist übrigens im vergangenen Oktober in den Ruhestand gegangen. Ihre Position blieb unbesetzt, soll demnächst jedoch ausgeschrieben werden – allerdings nur noch als halbe Stelle. Frauenverbände waren gegen die Kürzung auf die Barrikaden gegangen. Auch die Grünen hatten sich im Stadtrat für den Erhalt der ganzen Stelle eingesetzt, sich aber gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen nicht durchsetzen können.

Lesen Sie auf der folgenden Seite unsere Umfrage zum Thema mit sechs Stimmen von Frauen aus Trier.

Umfrage

Frau Tollhausen, können Frauen wirklich besser kommunizieren als Männer?
",Kommunikation ist, was ankommt!', heißt es. Und wenn es stimmt, was manche behaupten, dass nämlich viele Männer nur schlecht zuhören, kann man sich fragen, was da so ankommt. So gesehen funktioniert die Kommunikation unter Frauen wohl tatsächlich besser. Ob besser oder nicht, das ist eine Frage der Perspektive. Entscheidend aber ist für mich in der Kommunikation Offenheit und Verbindlichkeit - in jeder Beziehung."
Anja Katrin Tollhausen leitet die Stabsstelle Unternehmenskommunikation im Trierer Brüderkrankenhaus.

Frau Kaes-Torchiani, welche Eigenschaften braucht frau, um sich durchzusetzen in der "Männerdomäne" Bau?
"Durchsetzen? Ist das nicht eher eine männliche Kategorie? Ich bin lieber erfolgreich, wenn es mir gelingt, die Menschen zu überzeugen und ich bemühe mich, den Blick auf das Ganze und für das Machbare nicht zu verlieren. Und schließlich: Ich habe eine Kindheit und Jugend mit zwei Schwestern und mit meiner Mutter ziemlich heil überstanden, wie sollte ich da noch Männer fürchten?"
Simone Kaes-Torchiani ist Baudezernentin der Stadt Trier.

Frau Gödde, wie steht es um die sexuelle Gleichberechtigung der Frau, 40 Jahre nach 1968?
"Es hat sich einiges getan in den vergangenen vier Jahrzehnten. Insbesondere ist das Selbstbewusstsein von Frauen für ihre Rechte, das heißt, auch für eine selbst bestimmte Sexualität, stärker geworden. Die ,Doppelmoral' zu diesem Thema hält sich allerdings ebenso hartnäckig: Es gibt nach wie vor unterschiedliche gesellschaftliche Normen für das angemessene und erwünschte Sexualverhalten von Frauen und Männern. Mythen, Moralvorschriften, gute Sitten, alte Gewohnheiten und Tabus - es gibt also noch viel zu tun, frei nach dem Motto: "Liebe Frauen kommen in den Himmel - böse Frauen kommen überall hin!"
Ingrid Gödde ist Mitarbeiterin des Trierer Frauennotrufs

Frau Reeh, warum verdienen Frauen in gleichen Positionen wie Männer noch immer weniger?
"Weil die Wirtschaft glaubt, sich das noch immer leisten zu können, aber das ändert sich, denn Mädchen haben inzwischen bessere Schulabschlüsse und junge Frauen bessere Berufs- und Studienabschlüsse, die sie auch zu besseren Kollegen und Vorgesetzten machen werden. Außerdem sind viele Frauen noch zu bescheiden, aber ihr Selbstbewusstsein wächst, bewältigen sie doch oft allein stehend, allein erziehend und vermehrt als Familienernährerin einen immer schwierigeren Alltag."
Hildegard Reeh ist Präsidentin des Trierer Zonta-Clubs, der sich für das berufliche Weiterkommen von Frauen einsetzt.

Frau Bouvier, was hätte Karl Marx zur "Herdprämie" gesagt?
"Karl Marx hätte sich sicherlich nicht öffentlich über die "Herdprämie" geäußert, vielleicht aber in einem Brief an Friedrich Engels, der ihn zeit seines Lebens finanziell unterstützt hat. Wir denken uns die ,Herdprämie' in diesem Fall europäisch, zog doch Karl Marx mit seiner schnell wachsenden Familie von Land zu Land. Angesichts seiner prekären finanziellen Lage und der Abfolge von Geburten wäre das Geld doch gewiss willkommen gewesen. Möglicherweise hätte eine solche finanzielle Grundausstattung auch dazu beitragen können, eines der früh verstorbenen Kinder am Leben erhalten zu können."
Geschichts-Professorin Beatrix Bouvier leitet das Trierer Karl-Marx-Studienzentrum.

Frau Kaltenkirchen, harte Geschäftsfrau und holde Weiblichkeit - wie passt das zusammen?
",Harte Geschäftsfrau - holde Weiblichkeit' - diesen Hut ziehe ich mir nicht an. Für mich gilt: Mit Humor und einem guten Team kann man oft mehr erreichen! Das gilt im Übrigen auch für viele Männer in der Geschäftswelt, wenn auch nicht für alle. Für Geschäftsfrauen gilt: Erlaubt ist, was der Situation angemessen ist - wie in der Mode. Lassen Sie es mich etwas scherzhaft formulieren: Frauen haben im Kleiderschrank und bei den Schlüsselqualifikationen glücklicherweise meist mehr Auswahl.
Karin Kaltenkirchen ist Geschäftsführerin des Modehauses Marx und Vorsitzende des Trierer Händlerrings "City Initiative".

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