Experte: In Trier fehlen 40 Richter am Verwaltungsgericht

Trier/Mainz · Der Personalbedarf zeigt, wie schwach das Verwaltungsgericht besetzt ist. Kritiker beklagen auch die niedrige Bezahlung in Rheinland-Pfalz. Wie reagiert das Land?

Wie ist die Lage am Verwaltungsgericht Trier? "Dramatisch", sagt Lars Brocker, der Präsident des Oberverwaltungsgerichts in Koblenz. Was der höchste Richter des Landes sagt, lässt sich mit Zahlen belegen, die unsere Zeitung auf Anfrage vom rheinland-pfälzischen Justizministerium erhalten hat. Danach ist der Personalbedarf im richterlichen Dienst in den rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichten zu 58 Prozent gedeckt. In Trier liege der Deckungsgrad nur bei 35 Prozent.

Was bedeutet das? Der TV konfrontiert Lars Brocker mit den Zahlen. Der klärt auf, dass danach in Trier 40,5 Richterstellen fehlen, um den Personalbedarf vollständig zu decken. Wo sich der 49-Jährige sonst nicht mit wagemutigen Forderungen aus dem Fenster lehnt, sucht er nun die Offensive. Brocker erwartet vom Land, mindestens zwölf zusätzliche Stellen in Trier zu schaffen. So viele Richter brauche es mindestens, um den Dienstbetrieb in Trier überhaupt ordnungsgemäß aufrechterhalten zu können.

Das Ministerium teilt mit, es prüfe, inwieweit ein Mehrbedarf an Richtern gedeckt werden könne. Der Grund für die satte Lücke in Trier sind steigende Asylverfahren, die das Gericht für Rheinland-Pfalz im Alleingang bearbeitet. Immer mehr Flüchtlinge klagen, weil sie vom Bund ablehnende Bescheide erhalten haben oder den ihnen zugewiesenen Status nicht hinnehmen. Georg Schmidt, Präsident des Verwaltungsgerichts Trier, spricht von 18.000 Eingängen im Zeitraum von Juli 2016 bis Juli 2017. 9500 Verfahren seien davon erledigt worden. 250 Klagen pro Kopf seien alleine in diesem Jahr abgeschlossen worden, sagt Brocker und warnt: "23 Richter können nicht mehr als 10.000 Asylklagen bearbeiten. Die Schlagzahl ist auf Dauer nicht durchzuhalten."

Die Spanne, wann ein Verfahren bearbeitet ist, stieg zuletzt von 2,6 auf fünf Monate im Schnitt. Von zwölf zusätzlichen Stellen, die das Land bereits im Doppelhaushalt zugesagt hatte, sind außerdem noch nicht alle besetzt. Das Justizministerium rechnet damit, das von den Stellen zum 16. Oktober zehn Kräfte da sind. Für eine der dann noch offenen Stellen sei bereits ein Bewerber ausgewählt, bei dem der Zeitpunkt des Dienstbeginns abgestimmt werde. Die weitere freie Stelle werde schnellstmöglich besetzt. Das Land führe fortlaufend Vorstellungsgespräche, in diesem Jahr bereits an 25 Tagen.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Bernhard Henter kündigt an, Justizminister Herbert Mertin (FDP) im Rechtsausschuss am Donnerstag ins Verhör zu nehmen: "Wie kann es sein, dass Stellen unbesetzt sind? Und was gedenkt der Minister, gegen Engpässe zu tun?", fragt der Konzer. Brocker fordert das Land auf, sofort zu reagieren und nicht bis zum nächsten Doppelhaushalt zu warten. Zumal es bundesweit Richter brauche. Der Bund deutscher Verwaltungsrichter geht von 200.000 Asylverfahren in diesem Jahr aus. Brocker mahnt an, dass die Höhe der Richterbesoldung im Land nicht dazu angetan sei, Anreize für Berufseinsteiger zu setzen. Nach Angaben des Deutschen Richterbundes liegt die Einstiegsbesoldung in Rheinland-Pfalz bei 3738 Euro, im Bund dagegen bei 4044 Euro und bei Spitzenreiter Bayern bei 4235 Euro. Auch das Justizministerium sieht ein, dass "die Besoldung der rheinland-pfälzischen Richter derzeit nicht im Spitzenbereich der Länder angesiedelt" sei.

Meinung: Diese Lücke ist ein Armutszeugnis für das Land
Die aktuelle, jährliche Personalbedarfsplanung des Landes lügt nicht: Bei mickrigen 35 Prozent liegt der Deckungsgrad beim Verwaltungsgericht Trier, wenn es nur um Richter geht. Der Wert zeigt, wie stark Asylklagen das Gericht überlasten. Das Land muss nun dringend neue Kräfte einstellen. Die Gründe für die Eile? Die Asylverfahren liegen jetzt auf dem Tisch und sollten rasch bearbeitet werden, um klagenden Flüchtlingen Sicherheit zu geben. Und: Es ist unzumutbar, so wenigen Richtern eine hohe Zahl an Asylverfahren zuzumuten, die in Trier bis zum Jahresende auf mehr als 16.000 steigen könnte. Die Ankündigung des Justizministeriums, vor dem Hintergrund der Schuldenbremse prüfen zu wollen, ob es das Besoldungsniveau ändern kann, ist auch ein Wink an Finanzministerin Doris Ahnen. Das Land muss der Justiz helfen. Jetzt! Die bisherige Lücke ist jedenfalls ein Armutszeugnis für Rheinland-Pfalz. f.schlecht@volksfreund.de

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