Fahruntüchtig hinter dem Lenkrad?

Busunternehmen in der Region ersetzen ihr Stammpersonal durch Rentner oder sogar ehemalige Fahrer, die aufgrund ihres Alters oder ihrer Gesundheit nicht mehr hinterm Steuer sitzen dürften - so lautet der Vorwurf des Trierer DGB-Vorsitzenden Karl Heinz Päulgen.

Trier. Ein Mitarbeiter eines Busunternehmens wird von seinem Arbeitgeber als nicht mehr fahrtauglich eingestuft, er scheidet über einen Sozialplan aus oder tritt in die Ruhephase der Altersteilzeit ein. Diesen Bruch in seinem Arbeitsleben nutzt er zum Umsteigen - er setzt sich für ein anderes Unternehmen wieder hinters Steuer. "Bezahlt wird er dann auch noch bar auf die Hand", sagt Karl Heinz Päulgen. "Damit verdrängt er eine aus Sicht des Arbeitgebers teurere Stammkraft. Unternehmen, die durch diese Form des Lohndumpings ihre Personalkosten reduzieren, haben bei jeder Ausschreibung gegenüber tariftreuen Betrieben die Nase vorn." Der Regions-Vorsitzende des Deutschen Gewerkschafts-Bundes in Trier kritisiert die "Vernichtung von Stammarbeitsplätzen" und sieht ein gewaltiges Risiko. "Wer nicht mehr fahrtauglich ist, den darf man nicht mehr auf die Menschheit loslassen." Päulgen nimmt die Landkreise und Verbandsgemeinden in die Pflicht. "Sie müssen in der Ausschreibung von Bus- und Schullinien auch auf die Tariftreue der Unternehmen und eine Altersgrenze der Fahrer hinweisen."Päulgen hat Fälle gesammelt. Reinhard M. (alle Namen geändert) fuhr bei den Stadtwerken und trat in die Ruhephase der Altersteilzeit ein. Heute hat er einen 400-Euro-Job bei einem anderen Verkehrsbetrieb, fährt zusätzlich einmal pro Woche für ein weiteres Unternehmen und nimmt auch noch Einzelfahrten an. Ernst K. schied über einen Sozialplan aus, ist arbeitslos gemeldet und fährt trotzdem für zwei Busunternehmen. Staatsanwaltschaft und Zoll eingeschaltet

Päulgen schaltete die Staatsanwaltschaft und das Gewerbeaufsichtsamt ein. Von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord erhielt er den Tipp, den Zoll zu informieren, "da nur dieser die Lenkzeiten kontrollieren darf". Das Ergebnis: "Es liegen mehrere Anzeigen vor."Frank Birkheuer, Betriebsleiter der Stadtwerke Trier (SWT), kann die Bedenken des DGB nicht nachvollziehen. "Es ist doch völlig normal, dass ein Rentner den ihm erlaubten Zusatzverdienst von 400 Euro ausnutzt." Die Stadtwerke nehmen laut Birkheuer durchaus die Dienste pensionierter Fahrer in Anspruch. "Wer 20 Jahre in Trier Busse gefahren hat, ist auch als Rentner für uns ein wertvoller Mitarbeiter."An fahruntaugliche Ex-Mitarbeiter, die woanders anheuern, glaubt der SWT-Betriebsleiter nicht. "Es gibt Mitarbeiter, die den Belastungen des Linienverkehrs irgendwann nicht mehr gewachsen sind. Aber sie werden deshalb nicht entlassen." Birkheuer kenne aus den letzten Jahren nur einen einzigen Fall eines Stadtwerke-Fahrers, der den Dienst aus gesundheitlichen Gründen völlig quittieren musste. "Der Mann wurde blind." Meinung Nicht immer nur billig Vor wenigen Tagen berichtete der TV über ein kriminelles Netzwerk, das Arbeiter aus England und Osteuropa ohne Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung zu Dumping-Preisen bundesweit an Baufirmen entliehen hat. Obwohl die Debatte um Lohndumping in der Personenbeförderung nichts mit Kriminalität zu tun hat, gibt es eine gemeinsame Basis: Unternehmen, die sich an Regeln und Tarife halten, ziehen im Rennen um lukrative Aufträge den Kürzeren, da sie teurer sind als die Konkurrenz, die unterbezahlte und nicht versicherte Bauarbeiter einsetzt oder ausgemusterte Ex-Fahrer schwarz hinters Steuer setzt. Deshalb zielt der Vorstoß des DGB-Regions-Vorsitzenden Karl Heinz Päulgen in die richtige Richtung. Die Kommunen sollten in die Lage versetzt werden, nicht immer nur dem günstigsten Anbieter einer Linie den Zuschlag geben zu müssen. Die Überprüfung der Tariftreue erfordert zwar mehr Aufwand, ist aber dafür eine effektive Schnittstelle im Kampf gegen Lohndumping. j.pistorius@volksfreund.de

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