Fast wie bei der Tour

TRIER. (DiL) Tausende von Trierern erlebten gestern das Etappen-Finale der Rheinland-Pfalz-Rundfahrt. Die einen freiwillig, als Zaungäste in der Innenstadt, die anderen gezwungenermaßen, als Stau-Opfer.

Carsten und Daniel tun etwas, was in Trier normalerweise zum sofortigen Einschreiten der Obrigkeit führt: Mit dicker "Wohnweiß-Innenfarbe" malen sie Firmen-Namen auf das heilige Kopfsteinpflaster der Fußgängerzone. Fünf Polizisten schlendern vorbei, die Handschellen griffbereit. Nur kurz bleiben die Ordnungshüter stehen, dann gehen sie weiter.Firmen-Logos auf dem Kopfsteinpflaster

Die beiden Jungs mit Jeans und Kappe gehören zum vielköpfigen Tross der Rheinland-Pfalz-Rundfahrt, und ihr Job ist es, bei der Zieleinfahrt an der Ecke Simeon-/Glockenstraße die Namen der Sponsoren möglichst kamerafreundlich auf den Boden zu pinseln. Dafür gibt es sogar eine Genehmigung der Stadt. Nebenan, genau an der Ziellinie, stehen die Schwestern Helena und Stefanie aus Tarforst. Die Ziffern auf der digitalen Zieluhr zeigen 3 Stunden, 2 Minuten, 5 Sekunden. So lange quälen sich die Fahrer schon über Eifelstraßen, jede Sekunde ein Tritt. Unbarmherzige 30 Grad zeigt das Thermometer am benachbarten Optik-Geschäft, aber Helena (9) und Stefanie (15) waren so clever, sich auf der Schattenseite zu platzieren. Schon eine Stunde warten sie hier, um die besten Plätze zu sichern. Ja, sie seien große Radsportfans, erzählen die Mädchen, nicht nur bei der Tour de France. "Klar, wir schauen auch die Vuelta und den Giro" - allerdings nur im Fernsehen. Hier gibt es Radsport live, und das lockt tausende. Einstweilen müssen sie allerdings mit einer Art Radio-Übertragung vorlieb nehmen, wie einst bei der WM in Bern. Zwei Kommentatoren versorgen die Wartenden mit aktuellen Informationen von der Strecke. Im Moment führt der Belgier Kevin van Impe. Dass er einen ganz großen Namen der Radsport-Geschichte trägt, können Helena und Stefanie kaum wissen: Als sich Kevins Onkel Lucien van Impe in den Siebzigern als genialer Bergfahrer profilierte, waren sie noch nicht auf der Welt. Auf dem Hauptmarkt sammelt sich langsam der Tross; die VIP-Lounge im sonnen-erhitzten Metallplatten-Look bleibt allerdings einstweilen leer. Zwei Jungs streichen um den Truck, auf dem später die Siegerehrung stattfindet. Kurze Beratung: "Wo sich wohl die Mädels umziehen, die nachher die Trikots überreichen?" - dann ziehen sie erst mal weiter. Selbst die Sternstraße ist abgesperrt, ein rotes Schild weist Richtung Dom: "Medizinische Kontrolle" steht darauf. Hoffentlich ist der Weg lang genug für die Fahrer, um so viel Flüssigkeit aufzunehmen, dass es zum Füllen des Dopingproben-Röhrchens reicht. Am Ziel legen die Radio-Reporter unterdessen noch eine Schippe drauf, machen das Rennen auf der Bitburger spannend. "Bis zu 80 Kilometer Höchstgeschwindigkeit", meldet der Tour-Funk, die Autofahrer im Publikum blicken neidisch. Dabei ist Trier die ideale Stadt für solche Etappenankünfte: Kein Mensch weiß hinterher, ob der Stau von den Radfahrern verursacht wurde oder ob es nur das übliche Baustellenchaos war.Eine Stunde Vorspiel für drei Sekunden Vergnügen

Inzwischen hat sich van Impe abgesetzt, die Ziffern auf der Zieluhr zeigen 4 Stunden, 9 Minuten, 8 Sekunden. Zisch - der Sieger saust vorbei, ohne dass der Sekundenzeiger Zeit hätte umzuspringen. Zisch - die Verfolgergruppe prescht ins Ziel. Zisch - das Peloton fliegt durchs Blickfeld. Das wars. Eine Stunde Vorspiel für drei Sekunden Vergnügen: Bei anderer Gelegenheit würde man das eine unbefriedigende Bilanz nennen. Aber die Radsportfans gehen zufrieden nach Hause. Und das "Eis danach" sorgt für ordentliche Umsatzzahlen bei der einschlägigen Gastronomie.

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