Fenster zur Ewigkeit

TRIER. Über 170 Ikonen aus vier Jahrhunderten sind am Wochenende in der Europahalle zu sehen und zu erwerben. Aussteller ist kein kommerzieller Antiquitäten- oder Kunsthändler, sondern ein geweihter Diakon der russisch-orthodoxen Kirche.

Über 400 Jahre ist die Ikone alt, und trotzdem geht von ihrem Gold, Rot und Grün noch ein Strahlen aus, das einen gefangen nimmt. Mit feinstem Strich hat der Künstler die mit Eigelb vermischten Temperafarben auf die auf Holz gespannte Leinwand gebracht. Die gemalten Engel strahlen Ruhe aus, ihr tiefer Blick gilt dem Betrachter. "Die Ikone stammt aus den Beständen der russisch-orthodoxen Kirche", sagt der promovierte Religionsphilosoph, Kunsthistoriker und Diakon Dimitrij Greven. "Wahrscheinlich haben beim Tod ihres früheren Besitzers dessen Angehörige die Ikone in die Kirche gebracht, damit die Engel für den Verstorbenen beten." Viele Familien hätten früher 80 bis 100 Ikonen besessen, Millionen der heiligen Bilder seien nach und nach in den Besitz der russisch-orthodoxen Kirche gelangt. "Als ewige Fürbitten-Steller für die Verstorbenen."Restauratoren über die Schulter schauen

Lange Zeit gelangten Ikonen über zwielichtige Wege in den Westen, auch heute sind die Devisen bringenden Kunstwerke noch beliebte Schmuggelware. "Die Ausfuhr ist nur mit einer speziellen Genehmigung erlaubt", sagt der Halbrusse Greven, der freier wissenschaftlicher Mitarbeiter der Moskauer Kathedrale ist. Von der russisch-orthodoxen Kirche und vom Moskauer Kulturministeriums wurde er autorisiert, Ikonen nach Deutschland zu bringen und diese hier zu verkaufen, das kann er mit etlichen Zertifikaten und Bestätigungen nachweisen. "Teilweise wird das Geld für die Restaurierung der Moskauer Kathedrale verwendet", erklärt Greven. "Aber ein Großteil der Einkünfte kommt der Hilfsorganisation ,Liebe deinen Nächsten' zugute, die in der Ukraine Kinderheime aufbaut und allein erziehende Frauen unterstützt." Unter den 170 Ikonen, die der wissenschaftliche und künstlerische Leiter des Ikonographischen Instituts in Reichshof-Denklingen (bei Gummersbach) in Trier ausstellen und zum Kauf anbieten will, sind Werke bekannter Ikonen-Maler wie Andréj Rublöw und Simón Uschaków. "Aber bei den meisten Ikonen ist der Künstler unbekannt geblieben", erklärt Greven. "Es sind Heiligtümer, Fenster zur Ewigkeit. Kein Ikonen-Maler hätte je seinen Namen unter sein Werk gesetzt, um sich in den Vordergrund zu drängen, das wäre pietätlos gewesen." Im Schnitt drei Verkaufsausstellungen organisiert Greven pro Jahr in Deutschland. "Ich bin regelmäßig in Moskau an der Kathedrale als Restaurator und Berater tätig. Wenn die Werkstätten der Kathedrale Geld benötigen, bekomme ich den Auftrag, einige Ikonen zu verkaufen."Von 250 bis 5000 Euro

Das Interesse an den heiligen Bildern sei auch heute noch sehr groß. "Und zwar nicht vorrangig bei Kunstliebhabern, sondern bei religiösen Menschen", erzählt Greven aus Erfahrung. "In Russland heißt es, die Ikone finde ihren Besitzer und springe ihm in's Herz. Tatsächlich bekomme ich häufig Rückmeldungen von Käufern, die mir schreiben, wie viel besser es ihnen gehe, seit sie ihre Ikone gefunden haben." Die günstigste Ikone, die am Wochenende ihren neuen Besitzer finden kann, kostet 250 Euro, wem die teuerste mit 5000 Euro "ins Herz springt" muss schon tiefer in die Tasche greifen. "Trotzdem liegen wir weit unter den üblichen Händlerpreisen", sagt Greven. "Denn Zwischenhändler und Mitverdiener gibt es bei mir nicht." Die Ausstellung in der Europahalle findet statt von Freitag, 6. Mai, bis Sonntag, 8. Mai, jeweils von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Dimitrij Greven und Jana Zarlung, Restauratorin beim Frankfurter Ikonenmuseum, geben kostenlose Restaurationsempfehlungen und lassen sich bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Zu jeder Ikone gibt es eine Expertise mit Wertgarantie und theologischem und geschichtlichem Hintergrund des Themas.

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