Feucht-warmer Vorgeschmack

TRIER. Die Häufung extremer Wetterereignisse ist Indiz dafür, dass die Zukunft begonnen hat: Der Klimawechsel, vor dem die Wissenschaftler seit Jahrzehnten warnen, ist da. Im Gespräch mit dem TV beschreibt Klimatologe Mojib Latif, was uns in den kommenden Jahren noch bevorsteht.

 Hitze pur: Luisa (3) und Katharina (5) mögen's am liebsten ganz "cool". Foto: TV-Archiv/Friedemann Vetter

Hitze pur: Luisa (3) und Katharina (5) mögen's am liebsten ganz "cool". Foto: TV-Archiv/Friedemann Vetter

Das Jahr 2002 hat in Deutschland die bisherigen Niederschlagsrekorde gebrochen, das Jahr 2003 die Hitzerekorde. In diesem Jahr fegten bereits mehrere orkanartige Stürme über Deutschland. Ist die Häufung der extremen Wetterereignisse zufällig?Mojib Latif: Natürlich hat es immer schon extreme Wetterereignisse gegeben, aber in den letzten Jahren treten diese in immer kürzeren Abständen auf. Das hat nichts mit dem Wechsel von Warm- zu Kaltzeit zu tun, wie er in Abständen von zehntausenden Jahren regelmäßig stattfindet. Vielmehr weisen die kurzfristigen Ereignisse auf den vom Menschen verursachten Klimawechsel hin. Schuld daran ist der Treibhauseffekt. Was ist der Treibhauseffekt, und wie wirkt er sich auf unser Wetter aus?Latif: Zu den in unserer Luft zu einem Prozent natürlich vorkommenden Spurengasen gehört Kohlendioxid, C02, das hauptverantwortliche Gas für den Treibhauseffekt. C02 lässt zwar Sonnenstrahlung in unsere Atmosphäre eindringen, hält aber die Wärme, die von der Erde abstrahlt, zurück. Ohne C02 würden wir in einer Eiswüste leben. Doch durch den in den Industrieländern starken Ausstoß von C02, das bei jeder Verbrennung entsteht, hat sich der Kohlendioxid-Gehalt in unserer Atmosphäre gefährlich erhöht. Wärmestrahlung wird verstärkt zurückgehalten, die Temperatur auf der Erde erhöht sich. Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen, bei den häufigeren Temperaturstürzen kommt es zu Orkanen und starken Niederschlägen. Kann diese Entwicklung gestoppt oder rückgängig gemacht werden?Latif: In den vergangenen einhundert Jahren hat sich die Durchschnittstemperatur auf der Erde um 0,7 Grad Celsius erhöht. Würden wir unseren C02-Ausstoß jetzt stoppen, käme es durch zeitliche Verzögerungen trotzdem noch zu einer weltweiten Erhöhung von 1,4 Grad bis zum Jahr 2100. Machen wir so weiter wie bisher, wird sich das Klima sogar um 5,8 Grad erwärmen. Das wäre ein größerer Unterschied als zwischen der letzten Eiszeit und heute und hätte ungeahnte Folgen. Aber selbst die unabwendbare Erwärmung um 1,4 Grad wird zu immer stärkeren Niederschlägen und Stürmen führen. Die Fluten und Unwetter in China, Indien, der Türkei und Griechenland und die Hitzewellen in Spanien und Portugal, die Stürme über Deutschland in den letzten Wochen sind also nur ein Vorgeschmack?Latif: Ja, es wird immer heißer und trockener werden und gleichzeitig zu immer heftigeren Niederschlägen kommen. Die Erwärmung wird aber noch ganz andere Folgen haben: In Südeuropa wird man kaum noch leben können, weil es dort zu heiß sein und das Grundwasser sinken wird. Vielleicht kommt es zu Völkerwanderungen. Auch die Produktivität der Industrieländer hängt stark von einem gemäßigten Klima ab. Nicht umsonst hat selbst das Pentagon verlauten lassen, dass vom Klimawechsel eine größere Bedrohung als vom Terrorismus ausgeht. Die USA haben das Kyoto-Protokoll, in dem es um eine Vereinbarung der Industrieländer zur Eindämmung des C02-Ausstoßes geht, nicht unterschrieben. Besteht trotzdem Hoffnung, dass sie ihre Treibhausgas-Emissionen zurückfahren werden?Latif: Zwar haben die USA das Kyoto-Protokoll abgelehnt, aber wenigstens leugnet Präsident George Bush das Klimaproblem mittlerweile nicht mehr. Die ökonomischen Zwänge werden auch die USA zum Umdenken zwingen. Die steigenden Erdöl-Preise führen zwangsläufig zu einer Weiterentwicklung der Nutzbarkeit regenerativer Energiequellen - besonders der Sonne. Wenn es beginnt, finanziell weh zu tun, werden auch die USA ihren Erdölverbrauch senken. S Die Fragen stellte TV-Redakteurin Christiane Wolff.

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