Finale unterm Fallbeil

TRIER. (len) Zum 200. Tag der Hinrichtung von Schinderhannes alias Johannes Bückler in Mainz zeichnete der Geschichtswissenschaftler Udo Fleck bei einem Vortrag in der Stadtbibliothek ein mythenfreies Bild von dem Kriminellen und seiner Bande - auf Basis der sechsbändigen Prozessakten.

Schinderhannes war ein gefährlicher Räuber - um dessen Person sich nach seinem Tod Mythen vom Wohltäter und Freiheitskämpfer entwickelten. "Mit seiner Festnahme und Inhaftierung im Mainzer Holzturm war den Strafverfolgungsbehörden der entscheidende Schlag gegen das Bandenunwesen gelungen", erklärte Fleck, der seine Doktorarbeit über Schinderhannes schrieb. 16 Monate lang ermittelte das Kriminalspezialgericht in Mainz gegen 68 Personen, bevor es am 24. Oktober 1803 das Hauptverfahren gegen die Mitglieder der Bande eröffnete. Am 20. November 1803 wurden 20 Angeklagte, unter ihnen Schinderhannes, zum Tod verurteilt, 21 Angeklagte zum Teil zu sehr langen Haftstrafen. Nur einen Tag später wurden die Todesurteile vollstreckt - angeblich innerhalb von 26 Minuten.Prozessakten in Trier und Paris

In sechs gedruckten Bänden dokumentierten die Ermittler ihre Untersuchungen: Protokolle von Verhören, Beutelisten und Obduktionsberichte finden sich in den Unterlagen, von denen nur zwei Exemplare vollständig erhalten sind - eines in der Stadtbibliothek in Trier und eines in Paris. Die Akten zeichnen ein schonungsloses Bild von der Bande: neun Morde, 71 Raubüberfälle, 34 Erpressungen und 96 Diebstähle sind verzeichnet. Fleck untersuchte auch eine Reihe von Straftaten, die in den Unterlagen zwar beschrieben sind, aufgrund des Prinzips der "Verbrechenskonkurrenz" in dem Verfahren nicht verhandelt wurden - andere Delikte reichten für eine Verurteilung aus. "Gerade diese Flut strafbarer Handlungen erlaubt es, ein nüchternes Bild über das Agieren der Schinderhannes-Bande zu entwerfen", erklärte Fleck. So sei es möglich, die Art der Delikte, die bevorzugten Opfer und den Operationsraum der Bande zu bestimmen. Als nicht haltbar erwies sich nach Untersuchung der Prozessakten etwa die weit verbreitete These, die Räuber hätten gezielt Juden als Opfer ausgewählt. Zwar seien Menschen jüdischen Glaubens unter den Opfern im Vergleich zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung übermäßig häufig, dies liege aber in erster Linie an ihren Tätigkeitsfeldern. "Die Religionszugehörigkeit spielte für die Räuber eine untergeordnete Rolle", erklärte Fleck. "Ihnen ging es um eine möglichst hohe Beute." Kaufleute auf dem Rückweg vom Markt etwa seien perfekte Opfer gewesen - das Risiko, sie auf einer abgelegenen Straße zu überfallen, war äußerst gering. Udo Fleck hat die sechsbändigen Untersuchungsakten gegen die Schinderhannes-Bande zu einer neuen Edition zusammengestellt. Auf einer CD-ROM sind die abgetippten Akten im PDF-Format gespeichert. Die digitale Version der Akten ist für die Benutzer sehr praktisch - in dem gesamten Text können sie etwa nach Stichwörtern suchen. Professor Franz Irsigler: "Wir hätten die Bände gerne in Buchform ediert. Es haben sich aber nicht genügend Abnehmer für das teuere Werk gefunden. Ich bin sicher, dass sich viele der Käufer das Buch auf gutes, säurefreies Papier ausdrucken und es binden lassen werden." Die von Udo Fleck bearbeiteten Voruntersuchungsakten gegen die Schinderhannes-Bande (ISBN 3-89890-072-X) sind auf CD-ROM im Buchhandel zum Preis von 49,90 Euro erhältlich.

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