Fränkisch-trierischer Kompromiss

Ihre Wurzeln reichen bis in römische Zeit, auch wenn der spätbarocke Bau von St. Paulin dies nicht auf Anhieb vermuten lässt. Die Basilika in Triers Norden ist nicht nur die Lieblings-Hochzeitskirche der Trierer, sondern auch bevorzugtes Forschungsobjekt von Stadtführer Jens Baumeister.

 Wer St. Paulin betritt, blickt intuitiv nach oben. Gästeführer Jens Baumeister hat das Deckengemälde der Barock-Kirche intensiv erforscht. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Wer St. Paulin betritt, blickt intuitiv nach oben. Gästeführer Jens Baumeister hat das Deckengemälde der Barock-Kirche intensiv erforscht. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier-Nord. Viele Legenden ranken sich um St. Paulin. So soll die Kirche auf den Gräbern der Thebäischen Legion - das christlich-römische Heer soll hier den Märtyrertod erlitten haben - errichtet worden sein. Richtig ist, dass die erste Kirche im vierten Jahrhundert auf einem spätantiken Gräberfeld nördlich der Stadtmauern des römischen Triers gebaut wurde - vom Trierer Bischof Felix (386 bis 398 n. Chr.). Hierher überführte er die Gebeine seines Vorgängers Paulinus (347 bis 358 n. Chr.), zu dessen 1650. Todestag in der Pfarrei am Sonntag, 3. August, das Paulinus-Fest gefeiert wird.

Faszinierender Legendenschatz



Der reiche Legendenschatz war es, der Jens Baumeister zuerst an St. Paulin faszinierte. Auch wenn der Trierer Stadtführer gesteht: "Ich mag keine Barock-Kirchen" - diese liebt er. Und wer sie betritt, erkennt sofort, warum. Zuerst überrascht ihre Helligkeit, dann ihre Eleganz. Dies schreibt Baumeister dem Bauleiter, Augustinerpater Josef Walter, zu. Er habe Johann Georg Seitz' Werk im fränkischen Barock - dieser, nicht sein Mentor Balthasar Neumann, sei wahrscheinlich der Architekt - nach dessen Tod vollendet. "Walter hat ‚Trierisches' reingebracht: die enorm hohen weißen Wände, die schmalen, hohen Fenster, den hellen Innenraum." Das mache ihren unbarocken Charakter aus. Nach Bayern würde sie deshalb nicht passen: "St. Paulin ist ein fränkisch-trierischer Kompromiss."

Die Kirche von 1757 ließ Erzbischof Franz Georg von Schönborn auf den Grundmauern ihrer drei Vorgänger errichten. "Was für mich ihre Schönheit ausmacht: St. Paulin ist absolut perfekt", schwärmt Baumeister. Nicht umsonst habe ihr Papst Pius XII. vor 50 Jahren den Ehrentitel "Basilica minor" verliehen. "Das Chorgitter weist exakt die gleiche Form auf wie Hochaltar und Orgel." Die sei hochkompliziert, erzählt er, "das Beste, was es gibt aus der Zeit". Das Einzige, was störe, sei die Kanzel aus dem Kloster Himmerod.

Was den Kunsthistoriker besonders fasziniert, ist das Deckengemälde von Christoph Thomas Scheffler aus dem Jahr 1743. "Es ist das bedeutendste Barocke, das wir in Rheinland-Pfalz haben", erklärt er. "Es behandelt zwei Themenkreise: die Geschichte des Paulinus und das Martyrium der Thebäischen Legion."

Die Trierer Version dieser Wanderlegende sei aus barocker Sicht sehr blutrünstig dargestellt, sagt Baumeister, der das Gemälde intensiv erforscht. Über dem Altarraum ist das Konzil von Arles dargestellt mit Kaiser Constantius II. - einem Sohn Konstantins - und Paulinus, die um den wahren Glauben streiten. Die lila Zwickelbilder kommentieren die großen Fresken, wie Baumeister erklärt. Sie zeigen Paulinus bei der Bischofsweihe und in der Verbannung. Die Darstellung, auf der er enthauptet wird, gehöre jedoch ins Reich der Legenden.

Der TV stellt in einer Serie Trierer Stadtführer und ihre Lieblings-Sehenswürdigkeiten, -Plätze und -Histörchen vor und zeigt, was es abseits der ausgetretenen Touristenpfade zu entdecken gibt. Extra Jens Baumeister ist Archäologe und Kunsthistoriker, der sich hauptsächlich mit Wein beschäftigt. Seine Leidenschaften hat der 40-Jährige zum Beruf gemacht: als Stadt- und Weinerlebnisführer. Seit 15 Jahren - anfangs als Ergänzung zum Studium - zeigt er Gästen Trier, Saar, Mosel und Luxemburg. Er ist einer der wenigen, die alle Führungen machen. Zum Wein kam der Archäologe über die Vasen, Weinbehältnisse aus antiker Zeit. St. Paulin und seinem Deckengemälde hat er eine interaktive CD gewidmet. Seinen Paulin-Führer gibt es in Englisch und Französisch. (mehi)

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