Freche Schnauze, trotzdem nett

TRIER. "Junger Mann, willste ’nen Aal kaufen? Fischesser sind die besseren Liebhaber", scherzt Aal-Wilhelm alias Karl Löffelbein. Der Mann mit der Freundin im Arm lächelt, kauft aber nichts. Der 63-jährige Marktschreier und fahrende Händler Löffelbein hat mit seiner Karawane für zwei Tage in Trier seine Zelte aufgeschlagen. Doch die Geschäfte laufen schlecht.

Aal-Wilhelm rückt seine Melone zurecht. Jeder Kunde ist an diesem Tag Gold wert. Matthias Duschek hat wie so oft am vergangenen Samstag seinen Blumenstand verlassen und wärmt sich am Würstchenstand mit dem bullernden Grill beim Gespräch mit einer netten Blondine auf. Während bei Käse-Rudi nur ab und zu ein Eimerchen Käse über die Ladentheke geht und Aal-Wilhelm mühsam seine geräucherten Fische und Würste unter das Volk zu bringen versucht, läuft auch das Geschäft mit den Zimmerpflanzen schlecht. Blumen-Matthes trifft sich mit Pfannen-Udo und Nudel-Dirk und reibt sich die steifgefrorenen Hände. "Zu D-Mark-Zeiten war ich am Sonntagnachmittag um drei Uhr komplett ausverkauft. Wenn ich heute in meine Kasse gucke, denke ich, es ist samstags um sechs Uhr morgens. Ebbe", schimpft Matthes. Hamburger Fischmarkt-Flair wollte die Marktschreier-Truppe um Aal-Wilhelm aus dem Norden an die Mosel bringen. Die Trierer scheinen bei Regen und Kälte lieber vorm Ofen zu sitzen. Der Weg zwischen den Ständen ist häufig wie ausgestorben. "Nützt ja nichts zu schreien, wenn keine Kunden da sind", sagt Karl Löffelbein, der sich sonst mit seinen Kollegen gekonnt die Bälle zuspielt und Deftiges auf Platt zum feilgebotenen Räucherwerk serviert. Seit zehn Jahren ist er zwischen Februar und November auf Tour. Gelernt hatte er eigentlich das Malerhandwerk und kam über Stationen bei der Bundeswehr und als Verkaufsleiter bei einem Textilunternehmen schließlich auf den Räucherfisch, als er aus dem Erbe des Bremerhavener Aalräucherei-Betreibers Rolf-Wilhelm Gleitze dessen Verkaufsstand auf vier Rädern erwarb.Ehrenkodex der fahrenden Händler

"Ich bin ein Vollblut-Verkäufer", sagt Löffelbein. "Man braucht eine gute Menschenkenntnis, Mut, fremde Menschen mit frecher Schnauze, aber auf nette Art anzumachen." Zum Ehrenkodex der fahrenden Händler gehöre es, "niemals einen Kunden zu betrügen und gute Ware anzubieten. Denn wir wissen, dass uns häufig ein gewisser Ruf anhaftet." Auch Dirk Nagel alias Nudel-Dirk versucht um jeden Kunden zu feilschen. Mit zwei Damen flirtet er ein wenig, um gekonnt einen ganzen Korb voll italienischer Teigwaren loszuwerden. "Es wird um jeden Kunden gekämpft. Aber man muss wissen, was man den Menschen um die Ohren hauen kann oder wie man sie zum Anhalten und Kaufen kriegt." Ob sanft oder derb - der 33-Jährige kann an diesem Tag nicht wirklich zeigen, was er kann. "Sonst wollen Kunden mehr Show haben als noch vor einigen Jahren. Die denken: Wenn ich schon Geld ausgebe, will ich auch etwas dafür geboten bekommen Dann kann ich die auch richtig anbellen." Ans Aufhören hat der Mann aus Aurich schon gedacht, nachdem er elf Jahre als Blumen-Dirk auf Achse war. Dann ist aber sein zweites Kind zur Welt gekommen, und ein Enkelkind gilt es ebenfalls durchzubringen. "Das ist hart, so lange von zu Hause weg zu sein. Vor allem wenn man so einen schlechten Arbeitstag hat wie hier. Aber es nützt nichts, man muss ja Geld verdienen. Und eigentlich macht der Job auch Spaß, wenn es zur Sache geht", sagt Nagel. "He, Nudel-Fuzzi, da kommen Kunden”, schallt es zwischen den Aalen, Salamis und Leberwürsten hervor und Aal-Wilhelm rückt seine Melone in der Hoffnung auf ein gutes Geschäft auf dem Kopf zurecht.

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