Freiheit, Gleichheit, Grundeinkommen

Einen Besucherrekord bescherte der Vortrag des dm-Markt-Gründers Götz W. Werner über "Bedingungsloses Grundeinkommen" dem Kultursommerfestival "Arbeitsplätze" der Tufa. Über 250 Zuhörer waren gekommen, um sich mit einer visionären Idee auseinanderzusetzen.

Trier. "Erst wenn eine Idee epidemisch wird, wird sie wahr. Alles, was wir heute für selbstverständlich halten, war einst Utopie." Das sagt Götz W. Werner, der vom Spiegel als "Wanderprediger" bezeichnet worden ist. Treffend, denn seit rund zwanzig Jahren durchdenkt und propagiert er eine Vision, von der erst kaum jemand Notiz nahm, die aber allein in Trier über 250 Menschen veranlasst, Schlange zu stehen. Sie klingt bestechend einfach: Jeder Mensch soll von seiner Geburt an ein vom Staat garantiertes und an keinerlei Bedingungen geknüpftes Grundeinkommen erhalten, das ihm ohne Existenznot individuelle Entfaltung ermöglicht (siehe Interview im TV vom 8. September). Dahinter aber steckt ein anspruchsvoller Prozess des Umdenkens, das vor allem machte der mit logischer Stringenz, Eindringlichkeit und Humor gehaltene Vortrag des dm-Markt-Gründers in der Tufa deutlich. Zunächst müsse man sich vergegenwärtigen, dass sich eine Gesellschaft nur erneuere, wenn ihre Bürger Zukunftsträume träumten, die als "Polarstern" neue Orientierung gäben.

Alte Denkstrukturen über Bord werfen



Diesen anzusteuern bedinge wiederum, alte Denkstrukturen über Bord zu werfen. "Wir können die Probleme von heute nicht lösen, wenn wir am Denken kleben, das zu ihrer Entstehung geführt hat." Das stamme noch aus der Zeit der Bismarckschen Sozialgesetzgebung von vor 130 Jahren, ausgehend von einer agrarisch-manufakturellen Arbeitswelt, Binnenmarktproduktion und Selbstversorgung. Heute lebten wir in einer arbeitsteiligen globalisierten Welt der "lupenreinen Fremdversorgung", in der jeder Einkommen für den Zugang zu Produkten und Dienstleistungen anderer brauche. Deshalb müsse man Einkommen neu definieren, sich von deren schon fast als Naturgesetz empfundenen Verknüpfung mit Arbeit trennen.

Ein anderes Verständnis biete das bedingungslose Grundeinkommen: "Es ist praktizierte Brüderlichkeit, gewährt jedem die Teilhabe, mit der er teilhaben kann, und die Freiheit, nicht unbedingt tun zu müssen, was er soll." Wolle man es einführen, müsse man sein Menschenbild überdenken: "Wir geben Arbeitslosen Einkommen, und wenn sie arbeiten, nehmen wir es ihnen wieder, weil es in unseren Augen ja sonst ungerechtfertigt gezahlt würde."

Fragen der Zuhörer indessen rankten sich um deren finanzielle und politische Realisierbarkeit. Mit dem Verweis auf den Reichtum Deutschlands an Gütern und Dienstleistungen antwortete er mit einem Zitat, das von einem Trierer stammt, Oswald Nell Breuning: " Alles was produziert werden kann, kann finanziert werden, vorausgesetzt wir haben den Willen dazu".

Am Sonntag, 14. September, um 11 Uhr findet in der Tufa ein Workshop zum Thema statt; Anmeldung unter Telefon 0651/718-2412.

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