Fremdenfeindlich motivierter Angriff auf jungen Trierer

Trier · Rassismus im Alltag: Eine deutsch-amerikanische Familie schildert, wie sehr sie jahrelang unter Herablassung und Ausgrenzung gelitten hat. Schließlich verändert ein brutaler Angriff ihr Leben.

 Mit einem Schlagstock hat der Täter einen Afrodeutschen aus Trier angegriffen. Unser Symbolfoto zeigt nicht die Tatwaffe. TV-Foto: Friedemann Vetter

Mit einem Schlagstock hat der Täter einen Afrodeutschen aus Trier angegriffen. Unser Symbolfoto zeigt nicht die Tatwaffe. TV-Foto: Friedemann Vetter

Die Frau bittet darum, ihren Namen nicht zu nennen, ihr Gesicht nicht zu zeigen. "Wir möchten in der Öffentlichkeit nicht zur Zielscheibe werden." 1990 kam sie mit ihren damals fünf und neun Jahre alten Söhnen aus den USA zurück in ihre Heimatstadt Trier. Von ihrem Mann, einem Afroamerikaner, hatte sie sich getrennt. Die Söhne haben seine dunkle Hautfarbe geerbt, sind in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen. Sie sind Afrodeutsche - ein noch junger Begriff, der in der Auseinandersetzung mit Diskriminierung und Rassismus entstanden ist und 2006 in den Duden aufgenommen wurde.Skepsis und Ablehnung


Doch trotz aller seit Jahren andauernden Bemühungen, Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit auf allen sprachlichen wie gesellschaftlichen Ebenen entgegenzutreten, muss die alleinerziehende Mutter viel Leid ertragen. "Es war oft schlimm", schildert sie. "Oft schauten die Menschen auf mich herab und behandelten mich mit Skepsis und Ablehnung." Schon früher, in der Kita, seien Sätze gefallen wie dieser: "Wir müssen uns an Ihre Kinder gewöhnen." Eine Nachbarin habe sie besonders feindselig behandelt. "Das hat sich erst geändert, als sie im Treppenhaus gestürzt ist und ich ihr geholfen habe. Danach sagte sie mir unter Tränen, es tue ihr leid, und sie habe viel gutzumachen."
Diese Jahre haben Spuren hinterlassen. Oft sei es sehr schwer, der Schmerz sitzt tief. "Ich will aber natürlich auch das Positive sehen", sagt sie heute. "Die Jungs sind in Trier gut aufgewachsen." Ihr jüngster Sohn ist heute 30 und führt eine eigene kleine Firma in Trier. "Ich dachte oft, insgesamt haben wir es geschafft", sagt sie. Dann kommt die Fußball-WM.
Der 4. Juli in Trier: Deutschland schlägt Frankreich im Viertelfinale mit 1:0, Tausende feiern den Sieg beim Public Viewing. "Wir haben natürlich auch gejubelt", erzählt der 30-jährige Sohn. "Ich hatte ein Deutschlandtrikot an." Nach dem Spiel zieht er mit seiner Clique durch die Schönbornstraße, ihr Ziel ist eine Grillparty. Ein Mann kommt ihnen entgegen.
"Er war aggressiv und wollte wissen, für wen ich hier jubele", erinnert sich der Afrodeutsche. "Ich habe ihm erklärt, dass wir Frankreich weggeschossen haben. Er hat geantwortet: Wir Weißen haben Frankreich geschlagen. Dann ist er weggegangen."
Der 30-Jährige geht mit seinen Freunden weiter zur Grillparty, die in einem Garten in der Nähe stattfindet. So schildert er den folgenden Angriff: Die Party läuft, als der Mann wieder auftaucht. Er kommt in den Garten und hat einen kurzen Knüppel in der Hand, einen Totschläger. Mit dem Satz "Ich werde Dir zeigen, was für ein Deutscher Du bist" schlägt der Angreifer zweimal zu und trifft den Afrodeutschen am Kopf. Freunde und Partygäste ziehen den Mann weg, entwaffnen ihn und halten ihn fest, bis die Polizei kommt.
Das Opfer wird schwer am Kopf verletzt und in ein Trierer Krankenhaus gebracht. "Ich hatte zwei Hämatome am Kopf, hatte wochenlang starke Schmerzen und konnte nicht richtig arbeiten", sagt der 30-Jährige heute. Zwei Wochen nach dem Angriff bricht er zusammen und muss wieder ins Krankenhaus. Erst zu diesem Zeitpunkt erfährt seine Mutter, was am Tag des Fußballspiels geschehen ist. "Es war so, als ob meine größte Angst und schlimmsten Alpträume wahr geworden sind", sagt sie. "Ich war geschockt, entsetzt und machtlos, und ich bin es noch."
Der seit 2009 selbstständige Jungunternehmer fällt in ein tiefes Loch und verliert laut eigener Aussage Tausende Euro. "Das hat mich total aus der Bahn geworfen", gibt er zu. "Ich bin so unglaublich wütend. Nur aufgrund meiner Hautfarbe hat mich dieser Mann angegriffen." Der Fall wird vor Gericht verhandelt, ein Termin steht noch nicht fest.
Die Familie will darauf aufmerksam machen, dass Fremdenfeindlichkeit unverändert auftritt - im Alltag ebenso wie in Form von massiven Angriffen. "Wir haben es erlebt, meine Mutter jahrelang und ich selbst jetzt auch", sagt der Afrodeutsche. "Und wir sind sicher nicht die Einzigen."Meinung

Die alltägliche Gefahr
Die Distanz gegenüber Menschen, die fremd und anders aussehen, kann viele Ursachen haben. Ein falsches Bild der Welt. Ein zu offenes Ohr für diskriminierende Hetze, die durch euphemistische Begriffe wie Überfremdung als politische Debatte getarnt ist. Das Ergebnis ist der alltägliche Rassismus, den eine Trierer Familie erlebt. Reserviertheit, Distanz und Misstrauen sind keine lebensgefährlichen Angriffe wie die Stockschläge, die den Afrodeutschen aus Trier getroffen haben und die mit aller Härte bestraft werden müssen. Sie sind eher ein schleichendes Gift, das die Lebensqualität langsam zerstört. Der Fall der Trierer Familie ist ein Warnsignal. Denn Fremdenfeindlichkeit ist weiterhin eine Gefahr und wird nicht nur dann akut, wenn wieder ein Häuflein Rechter am Bahnhof demonstriert. Trier hat zum Glück eine starke Szene, die sich seit Jahren gegen Rassismus und Diskriminierung einsetzt. Ihre Arbeit bleibt enorm wichtig. j.pistorius@volksfreund.deExtra

Die Staatsanwaltschaft: Peter Fritzen, leitender Oberstaatsanwalt in Trier, bestätigt den Fall, den die Trierer Familie schildert. "Die Ermittlungen laufen", so Fritzen. "Zuerst hat sich die Auseinandersetzung rein verbal abgespielt." Der Aggressor habe den jungen Afrodeutschen angesprochen und ihn gefragt "Bist du überhaupt Deutscher?" Der Angriff kam später während der Gartenparty. "Der mutmaßliche Täter hat mit einem Schlagstock zugeschlagen." Er werde sich nach jetzigem Stand voraussichtlich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten müssen. Das Landeskriminalamt: Straftaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund werden vom Landeskriminalamt (LKA) in einer Statistik erfasst. Landesweit meldet das LKA 36 Gewaltdelikte im Jahr 2013, zehn davon im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Trier. Wesentlich häufiger sind Volksverhetzungen und Propagandadelikte mit 76 Fällen in der Region Trier. Darunter fassen die Ermittler beispielsweise Hakenkreuz-Schmierereien und die Nutzung von NS-Symbolen zusammen. jp

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