Frieren unter freiem Himmel

TRIER. In der Stadt Trier leben mehr als 30 Obdachlose. Doch die meisten beharren auf ihre Unabhängigkeit. Selbst im Winter nehmen viele von ihnen keine öffentliche Hilfe in Anspruch.

 Fremde Hilfe nicht erwünscht: Auch in der Not beharren viele Obdachlose auf ihrer Unabhänhigkeit. Foto: DPA

Fremde Hilfe nicht erwünscht: Auch in der Not beharren viele Obdachlose auf ihrer Unabhänhigkeit. Foto: DPA

Vor dem Trierer Dom lagern zwei Obdachlose. Die beiden wissen, dass die Passanten dort besonders freigiebig sind und sie mit Spenden von bis zu 20 Euro je Stunde rechnen können. Sie zählen zu den 33 Trierer Obdachlosen. 14 von ihnen nehmen trotz des Winters die vielfältigen karitativen Angebote in der Stadt nicht in Anspruch und verbringen ihre Nächte im Freien. Diese Zahlen nennt der Trierer Arbeitskreis für Wohnungslose. Einige der Obdachlosen haben sich, ausgestattet mit Zelt und Schlafsack, einen Platz im Wald als Schlafstätte ausgesucht. Andere hausen dem Arbeitskreis zufolge an windgeschützten Stellen unter Laderampen oder in leer stehenden Kellern im Stadtgebiet. Die 19 weiteren Wohnungslosen verbringen ihre Nächte im Übernachtungsheim des Benedikt-Labre-Hauses, einer karitativen Einrichtung, die den Obdachlosen einen Platz zum Schlafen und eine warme Mahlzeit bietet."Wir können unsere Hilfe nur anbieten"

"Die Stadt Trier bietet ein umfassendes Hilfsangebot für Wohnungslose. Wir gehen individuell auf die Betroffenen ein", erzählt Ralf Weber vom Sozialamt Trier. 1997 haben sich einige Trierer Behörden, darunter auch das Sozialamt Trier und der Caritasverband Trier, zum "Arbeitskreis für Wohnungslose" zusammengeschlossen. Die Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, die Obdachlosigkeit zu mindern. "Alle im Bereich Beteiligten arbeiten intensiv vernetzt und effizient zusammen", betont Adolf Schmitt vom Gesundheitsamt Trier. In der Stadt wird den Wohnungslosen an vielen Anlaufstellen fast rund um die Uhr Hilfe angeboten. Neben dem Benedikt-Labre-Haus kann im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder zu Mittag gegessen werden, Krankheiten werden kostenlos diagnostiziert und behandelt. Der "Arbeitskreis für Wohnungslose" nimmt sich jedem Heimatlosen an. Dabei steht die Wiedereingliederung im Mittelpunkt. "Es ist wichtig, eine Struktur in den Tag der Obdachlosen zu bringen. Nur so können die Betroffenen Schritt für Schritt in die Gesellschaft zurückfinden", sagt Michael Gentgen vom Caritasverband Trier. Der Arbeitskreis betont, dass die Obdachlosen ihre Rolle nicht freiwillig gewählt haben. Es sei nicht der Freiheitsdrang, der sie auf die Straße triebe, sondern die Angst zu versagen, die fehlende Kraft, beständig im Alltag zu leben. "Hinter dem Phänomen der Obdachlosigkeit hängt ein Reihe von individuellen Problemen", erklärt Werner Schultze vom Benedikt-Labre-Haus. Geldspenden gelten als problematisch

"Die meisten Wohnungslosen seien Suchtkranke, hätten ein Alkoholproblem oder seien drogenabhängig. Den Betroffenen fehle oft die Kraft, dem gesellschaftlichen Druck standzuhalten, häufig stünden sie vor einem riesigen Schuldenberg und seien völlig ratlos. Auch Geldspenden an die Obdachlosen nennt der Experte problematisch. "Damit finanzieren sie sich ihre Sucht", kritisiert Roman Schmitz vom kommunalen Vollzugsdienst Trier die allzu mitleidigen Passanten. Vorrangiges Ziel sei es, die Obdachlosen von der Sucht zu befreien. Mit Erreichen dieses Ziels sei eine Voraussetzung für die Wiedereingliederung der Betroffenen in die Gesellschaft geschaffen. Die Wahrheit ist aber, dass viele Wohnungslose die Hilfe des Arbeitskreises ablehnen - selbst in der kalten Jahrszeit. Sie sind nicht bereit zum Neuanfang. "Wir können unsere Hilfe nur anbieten", sagt Raimund Ackermann vom Trierer Verein "Streetwork". Doch auch für den Fall, dass die Hilfe angenommen wird, ist es noch ein weiter Weg bis zur vollständigen gesellschaftlichen Integration: Ackermann: "Viele Obdachlose schaffen diese Aufgabe nicht und landen nach einiger Zeit wieder auf der Straße."

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