Früher hui, heute pfui

TRIER. Dem Verfall Preis gegeben: Das Haus Ecke Wechselstraße/Gervasiusstraße wird zu Gunsten einer Parkfläche abgerissen. Das hat der Bauausschuss bei seiner jüngsten Sitzung beschlossen.

Es muss ein schönes Haus gewesen sein, Ende des 19. Jahrhunderts. Im Erdgeschoss lassen zwei größere Schaufenster auf einen Laden schließen, auf der weitläufigen Beletage wohnten die Herrschaften und im dritten Geschoss hatten wohl zwei bis drei Familien ihr Zuhause. Jetzt steht dem Gebäude auf der Ecke Wechselstraße/Gervasiusstraße der Abriss bevor, das hat der Bauausschuss auf seiner jüngsten Sitzung so beschlossen. Seit über 15 Jahren steht das städtische Anwesen leer, auch davor wurde nur das Notwendigste saniert. Vor sechs Jahren sicherte die Stadt zuletzt das Dach vor dem Einsturz. Schon damals bestand dringendster Handlungsbedarf: "Die Gebäudegruppe fällt bald von selbst zusammen", bestätigte Triers Oberbürgermeister Helmut Schröer dem TV im August 1997. Mehr und mehr entwickelten sich Haus und Gelände zu einem Schandfleck der Innenstadt - und das, obwohl das Haus ursprünglich auf der Liste der zu schützenden Gebäude des städtischen Denkmalpflegeamtes stand. "Bei einer strengeren Begutachtung durch das Landesamt ist das Haus dann in den 90er-Jahren jedoch nicht in die förmliche Denkmal-Topografie der Stadt aufgenommen worden", sagt die Trierer Denkmalpflegerin Angelika Meyer. Eineinhalb Jahrzehnte lang war die Stadt auf der Suche nach einem Investor, der das Gebäude sanieren und gleichzeitig ein kleineres "Quartiersparkhaus" auf dem nebenliegenden Gelände errichten sollte. "Wegen der hohen Grundstückpreise und der zu erwarteten archäologischen Funde, die ein Bauvorhaben verzögern würden, ist uns das leider nicht geglückt", sagte Triers Baudezernent Peter Dietze bei der jüngsten Ausschusssitzung. Mittlerweile kämen auf einen potenziellen Investor Sanierungskosten zu, die die Kosten für einen Abriss wohl weit übersteigen würden. "Die Verantwortung dafür, dass das Gebäude so herunter gekommen ist, trägt die Stadt", sagte Grünen-Fraktionsmitglied und Architekt Dominik Heinrich. "Ich bedauere den Abriss des an sich schönen Gebäudes." Seine Gegenstimme und die seiner Fraktionskollegin Anja Matatko reichten jedoch nicht aus, um den Beschluss des Bauausschusses zu kippen. Statt eines verfallenen Gebäudes, wird künftig eine Parkfläche das Eckgrundstück in der City zieren. Kostenpunkt: 85 000 Euro für den Abriss, 35 000 Euro für die Erstellung der Parkfläche. 60 von der Stadt bewirtschaftete Parkplätze sollen so entstehen. Wer auf einem Oberflächenparkplatz in der Innenstadt parkt, zahlt pro Stunde einen Euro. Geht man davon aus, dass die 60 attraktiven, weil günstigen Parkplätze, die voraussichtlich von neun bis 19 Uhr gebührenpflichtig sein werden, durchschnittlich sieben Stunden täglich belegt sind, kommt man auf 420 Euro, die pro Werktag in den Allgemeinhaushalt der Stadt fließen. Bei abgerundeten 300 gebührenpflichtigen Tagen bedeutet das eine zusätzliche städtische Einnahme von 126 000 Euro pro Jahr. Diese Summe würde sich mehr als verdoppeln, wenn die Gebühren für die Oberflächenparkplätze den höheren Preisen der Parkhäuser angeglichen werden - wie es zur Zeit von den Verantwortlichen diskutiert wird. Sanierungsobjekt ist Geschichte

Die Stadt hat damit drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen - ein teures Sanierungsobjekt ist Geschichte, der städtische Haushalt bekommt eine Finanzspritze und ein - wenn schon nicht optisch, so doch für zahlungskräftige Investoren - attraktives Verkaufsobjekt wird geschaffen. Denn der Parkplatz soll nur eine Zwischenlösung sein - weshalb der Stellplatz auch nicht aufwändig und teuer hergerichtet und begrünt werden soll. "Die spätere Bebauung muss städteplanerisch Sinn machen", forderte Dominik Heinrich. Mit seiner abgeschrägten Ecke zur Kreuzung hin fasse das Haus den Platz ein. "Es schafft eine Raumkante und eine für Trier typische Straßenflucht." Wenigstens das müsse auch eine neue Bebauung leisten.

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