Fußgänger als Freiwild

Der Nikolaus-Koch-Platz hat den zweifelhaften Ruf als die Stelle in Trier, an der die meisten Regelverstöße im Straßenverkehr begangen werden. Im Minuten-Takt steuern PKW-Fahrer ihre Autos über die Busspur und gefährden damit Fußgänger. Auch die Schaltung der Ampel in der Zuckerbergstraße birgt Gefahrenpotenzial.

Trier. Fast minütlich das selbe Bild am Nikolaus-Koch-Platz: Autofahrer, die aus der Böhmer- oder Zuckerbergstraße kommen, steuern ihre Wagen in Richtung Walramsneustraße und Parkhaus Hauptmarkt. Das allerdings ist seit anderthalb Jahren nicht mehr erlaubt. Die Justizstraße ist in Fahrtrichtung Norden ausschließlich Linienbussen vorbehalten.Polizei will weiterhin kontrollieren

An uneindeutiger Beschilderung und unzureichender Fahrbahnmarkierung kann's nicht liegen. "Anfangs gab es Probleme. Aber inzwischen ist die Beschilderung eindeutig", sagt Karl-Peter Jochem, Verkehrssicherheits-Berater der Polizeiinspektion Trier. Dennoch benutzen weiterhin am laufenden Band Kraftfahrer die Busspur - sei es aus Unkenntnis der Straßenverkehrsordnung oder bewusst. Die offizielle Route zum Parkhaus Hauptmarkt oder der Dietrichstraße führt im weiten Bogen über Oeren- oder Deutschherrenstraße, was vom Nikolaus-Koch-Platz einen Umweg von bis zu einem Kilometer durch enge Straßen bedeutet. Die "Abkürzung" über die Busspur führt immer wieder zu gefährlichen Situationen. Betroffen sind vor allem Fußgänger auf dem Überweg. Deren Grünphase ist ausschließlich auf den Busverkehr abgestimmt, nicht aber auf Falschfahrer. Glücklicherweise kam es bisher lediglich zu Fast-Unfällen. Doch angesichts des hohen Aufkommens an Autos auf der Busspur scheint es nur eine Frage der Zeit, bis etwas Ernsthaftes passiert. Die Polizei will den Gefahrenpunkt im Auge behalten. Jochem: "Wir haben bisher gelegentliche Kontrollen vorgenommen und werden das auch weiterhin tun." Die Ahndungsmöglichkeiten sind jedoch nicht sonderlich abschreckend. Das Verwarnungsgeld für den "Nichtberechtigten auf einem Sonderweg" beträgt 10 Euro.Nur Raser werden, falls erwischt, stärker zur Kasse gebeten. Häufigere Kontrollen könnten das Problem zumindest entschärfen. Alleine schon die Anwesenheit des fotografierenden und filmenden Volksfreund-Reporters führte dazu, dass einige Falschfahrer den Rückwärtsgang einlegten und auf legalem Wege weiterfuhren.Einen Lichtblick gibt es immerhin: Die aktuelle Verkehrsführung am Nikolaus-Koch-Platz ist lediglich ein Provisorium. Wenn das in unmittelbarer Nähe entstehende Einkaufszentrum Trier-Galerie fertiggestellt und die derzeit komplett gesperrte Metzelstraße wieder befahrbar ist (voraussichtlich im September), kehrt der im Sommer 2006 in die Justizstraße verlegte Bussteig wieder zurück auf den angestammten Nikolaus-Koch-Platz. Dann will die Stadt auch die Justizstraße in Richtung Norden wieder für den Individualverkehr freigeben, erklärt Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani auf TV-Anfrage. Es sei klar, dass die jetzige Situation mit der missbrauchten Busspur kein Dauerzustand sein kann.Offenbar noch keinem Verantwortlichen aufgefallen ist ein anderer Problemfall: Die Schaltung der Ampel am Überweg an der Zuckerbergstraße ist für Fußgänger viel zu kurz. Ganze sieben Sekunden dauert ihre Grünphase - vor allem ältere Menschen schaffen es in dieser Zeit gerade einmal bis zur Mitte der dreispurigen Straße. Meinung Nicht warten, bis es kracht Fußgänger sind offenbar eine Lämmer-gleiche Spezies, zumindest die, die sich am Nikolaus-Koch-Platz bewegen. Was ihnen zugemutet wird, geht nicht mehr auf die berühmte Kuhhaut: Auf dem Überweg Justizstraße werden sie von Falschfahrern regelrecht aus der Bahn gemobbt und auf dem Überweg Zuckerbergstraße von einer zu kurz geschalteten Ampel zum Schweinsgalopp gegängelt. Das Gefahren-Potenzial, das andernorts ausreichen würde, eine Bürgerinitiative auf die Barrikaden zu treiben, duldet der Fußgänger am Nikolaus-Koch-Platz stillschweigend und im wahrsten Sinne des Wortes im Vorübergehen. Allzu viel Toleranz ist in diesem Fall freilich unangebracht. Dass es bisher noch nicht zu schwerwiegenden Unfällen gekommen ist, hat weitaus mehr mit Glück zu tun als mit durchdachter Verkehrspolitik. r.morgen@volksfreund.de

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