Oberbürgermeister will sich von Theaterchef trennen - Kritik auch am Kulturdezernenten Thomas Egger

Trier · Weil das Minus des Theaters für 2016 mit 2,3 Millionen Euro noch größer ist als gedacht, muss neben Intendant Karl Sibelius auch Kulturdezernent Thomas Egger um seinen Job fürchten. AfD und CDU fordern seinen Rücktritt.



Das Theater hat seine Mitarbeiter am Dienstag über die Finanzlage informiert. Die Stimmung ist gedrückt. "Wir finden das alle nicht schön, und es war leider vorhersehbar", sagt ein Mitarbeiter. TV-Informationen zufolge soll der Spielplan bis Jahresende umgesetzt werden. Was danach kommt, ist unklar. Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) spricht sich für eine Trennung von Karl Sibelius aus, entscheiden muss der Stadtrat. Gibt es keine juristisch belastbaren Gründe für eine Kündigung, kann der Vertrag nur gegen Abfindung aufgelöst werden. Dazu, wie es bei längerer Vakanz oder nach Sibelius‘ Weggang weiter gehen könnte, sagt Leibe: "Wir müssen sehen, wie wir die Theaterleitung stabilisieren." Denkbar sei, den Spartenleitern mehr Verantwortung zu geben, so dass sie mit der stellvertretenden Intendantin Katharina John und dem Verwaltungsdirektor die Leitung übernehmen.

Sein volles Vertrauen spricht Oberbürgermeister Wolfram Leibe seinem Kulturdezernenten Thomas Egger schon lange nicht mehr aus. Spätestens seit im Mai bekannt wurde, dass die Theaterfinanzen im totalen Chaos versunken sind und gleichzeitig herauskam, dass die von Egger geführte Tourismus- und Marketinggesellschaft TTM finanziell mit dem Rücken zur Wand steht, rechnet der Oberbürgermeister lieber selber nach. Ergebnis: Das Trierer Theater hat sein Budget um eine weitere Million Euro überzogen - statt der im Haushalt veranschlagten 15 Millionen Jahresetat sind bereits rund 17,3 Millionen Euro ausgegeben. "Und es kann durchaus sein, dass uns bis zum Ende des Jahres noch weitere Überraschungen erwarten", sagte Leibe am Montag. Um die Budgetüberschreitung zu finanzieren, muss die Stadt zusätzliche Schulden aufnehmen (der TV berichtete am Dienstag).

Namentlich nannte Leibe bei dem Pressegespräch zwar lediglich Theaterintendant Karl Sibelius als Verantwortlichen für das neu ans Tageslicht gekommene Finanzdebakel. Dass Egger mitgemeint war, daran ließ der OB allerdings keinen Zweifel. "Ich weiß gar nicht, warum ich als Oberbürgermeister da sitzen und den Theaterhaushalt nachrechnen muss", schimpfte das Stadtoberhaupt in einer für ihn ungewöhnlich emotionalen Tonlage. Und, im gleichen Affekt: "Ich warte immer noch darauf, dass endlich jemand sagt, dass er die Verantwortung übernimmt!" Noch im Mai hatte Egger verkündet, dass für 2016 mit einem Defizit von 1,3 Millionen Euro - statt der nun prognostizieren insgesamt rund 2,3 Millionen - gerechnet werden müsse. Generalintendant Sibelius wurde damals von der finanziellen Verantwortung fürs Theater entbunden, Egger selbst übernahm als kommissarischer Finanzchef. Anfang Oktober löste Müller ihn als Verwaltungsdirektor des Theaters ab. Zusammen mit Oberbürgermeister Leibe setzte Müller - bis dato Finanzcontroller im Dezernat IV - sich an die Bücher. "Am 6. Oktober haben wir eine Rückstellung von 100.000 Euro auflösen müssen, um ganz kurzfristig Liquidität fürs Theater herzustellen", berichtete Leibe und machte deutlich, dass Kulturdezernent Egger weder in die Prüfung der Finanzen noch in die daraus folgenden Entscheidungen eingebunden war. "Herrn Egger habe ich dann vier Aufträge gegeben: Die Zahlen noch mal zu verifizieren. Zu prüfen, welche Auswirkung die neuen Erkenntnisse auf die aktuelle Theaterspielzeit hat. Zu benennen, mit welchen Zahlen das Kulturdezernat in die Beratung des Doppelhaushalts 2017/18 geht. Und zu prüfen, welche rechtlichen Konsequenzen die Sache für Herrn Sibelius haben kann."

Gegen die Degradierung vom - laut Gemeindeordnung allein verantwortlichen - Leiter seines Dezernats zum Auftragsempfänger, wehrte Egger sich bei dem Pressegespräch im Rathaus nicht. Auf TV-Nachfrage, welche Verantwortung er als kommissarischer Interims-Finanzchef und als Dezernent bei sich sehe, erklärte der SPDler: "Die Verantwortung liegt beim Intendanten. Wir müssen jetzt erst genau prüfen, was innerhalb des Fachamts Theater da genau passiert ist. Erst dann kann man sich die darüber liegende Ebene anschauen. Aber dazu gebe ich heute noch keine Antwort."
Die Fraktionen sehen das anders: Die CDU fordert explizit Eggers Rücktritt (siehe Extra). Oberbürgermeister Leibe möchte zu den Rücktrittsforderungen nicht öffentlich Stellung nehmen. "Die Dezernenten werden vom Stadtrat gewählt, mir als Oberbürgermeister steht es nicht an, diese Entscheidungen zu kommentieren."
Extra: Das sagen die Fraktionen

Die Trierer CDU-Stadtratsfraktion greift in der Debatte um das neue Millionen-Euro-Loch im Theateretat den SPD-Kulturdezernenten Thomas Egger an. Sie fordert seinen Rücktritt, um einen Neustart im Kulturdezernat zu ermöglichen. Volksfreund.de dokumentiert Auszüge aus der

CDU-Stellungnahme:

"Der SPD-Dezernent Thomas Egger wird mit den Worten zitiert, dass seine Geduldsfäden gerissen seien. Dieser Einschätzung kann sich die CDU-Fraktion in Bezug auf seine Person anschließen. Die Liste der Fehlschläge in dem von ihm zu verantwortenden Geschäftsbereich - angefangen von der NeroHero-Absage, die der Stadt Trier zweifelhafte Berühmtheit im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler eingebracht hat, über die noch ergebnislose Standortsuche für eine dringend notwendige neue Hauptfeuerwache, bis zur finanziellen Schieflage der Trier Tourismus und Marketing GmbH (ttm) - ist lang. Vor allem jedoch kam er als zuständiger Dezernent seiner Kernverantwortung, der finanziellen Kontrolle des Stadttheaters, nicht nach. Insbesondere oblag ihm, seit der im Juli notwendig gewordenen Einführung des Vier-Augen-Prinzips, kommissarisch die kaufmännische Leitung. Ungeachtet dessen wuchs das Defizit von Monat zu Monat. Für die gesamte finanzielle Entwicklung am Stadttheater trägt der Dezernent naturgemäß die Verantwortung.

Über die laufenden Fehlentwicklungen hat Thomas Egger (SPD) Ausschuss, Rat und Öffentlichkeit mehrfach falsch oder gar nicht informiert. Trotzdem hat er es bis heute nicht für notwendig befunden, auch persönliche Fehler einzuräumen und stattdessen Verantwortung weit von sich gewiesen. Für den erforderlichen Neustart bedarf es einer personellen Veränderung an der Spitze des Kulturdezernats. Diesen muss Thomas Egger mit seinem Rücktritt ermöglichen."

Auch die SPD-Fraktion hat sich bereits zum Millionen-Loch geäußert. Sven Teuber forderte, der Kulturausschuss solle sich am Mittwoch mit dem Thema befassen. auch SPD-Dezernent Egger wird kritisiert und aufgefordert, Erklärungen vorzulegen. Die SPD-Stellungnahme in Auszügen:

"Die neuerlichen Nachrichten über die abermalige Defizitsteigerung sind ein finanzielles Desaster. Innerhalb weniger Monate summieren sich erneut sechsstellige Beträge auf. Das ist nicht akzeptabel. Der Intendant muss sich fragen, ob er noch den zahlreichen Herausforderungen am Theater Trier gewachsen ist", kommentiert der Fraktionsvorsitzende Sven Teuber die Pressemeldungen.

"Wir brauchen nun lückenlose Aufklärung, wieso es schon wieder zu Mehrausgaben am Theater Trier kommt. Der Steuerungs- und Kulturausschuss müssen so schnell wie möglich informiert werden. Auf Grundlage dieser Informationen müssen wir entscheiden, welche Konsequenzen gezogen werden müssen. Kulturförderung ist notwendig, aber Budgets müssen eingehalten werden. Es wird mit einer solchen katastrophalen Haushaltung die gesamte Kulturförderung gefährdet", ergänzt der kulturpolitische Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion Markus Nöhl.
"Angesichts dieser Horrormeldungen scheint zumindest die Neueinsetzung eines Verwaltungsdirektors die richtige Entscheidung zu sein. Es deutet sich an, dass dank seiner Arbeit die Fehlplanungen zu Tage gekommen sind. Dies zeigt, dass diese Entscheidung des Rates richtig war. Wir fühlen uns bestätigt, hier organisatorische Eingriffe im Theater vorgenommen zu haben. Es ist jedoch zu hinterfragen, wieso die im Sommer beschlossene Vieraugen-Regelung diese Budgetüberschreitungen nicht verhindern konnte. Hier ist Kulturdezernent Thomas Egger gefordert, Erklärungen vorzulegen", so Teuber.

Die AfD-Fraktion spricht von einem "Skandal ersten Ranges". Sie fordert den Intendanten Karl Sibelius zum Rücktritt auf und fordert ebenfalls, Thomas Egger solle persönliche Konsequenzen ziehen. Die Stellungnahme in Auszügen:

"Was sich hier abspielt, ist ein Skandal ersten Ranges": Mit diesen Worten kommentiert der Trierer AfD-Fraktionsvorsitzende und Landtagsabgeordnete Michael Frisch die jüngsten Hiobsbotschaften aus dem Theater. "Nach und nach werden wir mit ständig neuen Defiziten konfrontiert, die die Finanzierungslücke für den Theaterbetrieb allein in den ersten 10 Monaten des Jahres 2016 auf nunmehr 2,3 Millionen Euro anwachsen lassen. Hier hat nicht nur der für die wirtschaftlichen Belange zuständige Intendant vollständig versagt, sondern auch das Controlling der Stadt ist seinen elementarsten Pflichten nicht gerecht geworden. Während überall in Trier gespart werden musste, um überhaupt noch einen halbwegs seriösen Haushalt hinzubekommen, wurden am Theater unter den Augen von Dezernent Thomas Egger Millionen Steuergelder in den Sand gesetzt.

In Folge des offenkundigen Desasters fordern wir Herrn Sibelius erneut zum sofortigen Rücktritt auf. Unabhängig davon ist die Möglichkeit einer fristlosen Entlassung - selbstverständlich ohne Fortzahlung der Bezüge - umgehend zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen. Auch Herr Egger sollte sich seiner Verantwortung stellen und persönliche Konsequenzen ziehen. Mit Schuldzuweisungen an andere ist es nicht getan, denn als Dezernent hat er seine Aufsichtspflicht in gravierender Weise verletzt. Zudem war er aufgrund des ab Sommer geltenden "Vier-Augen-Prinzips" selbst für das Theater-Budget verantwortlich und muss sich daher die seitdem entstandenen Fehlplanungen und Defizite unmittelbar zuschreiben lassen.

Dass die SPD ihre Haltung in der causa Sibelius-Egger jetzt bestätigt sieht, ist an Heuchelei kaum zu überbieten. Gemeinsam mit den anderen Ratsfraktionen haben die Sozialdemokraten nicht nur Herrn Sibelius mit großen Vorschusslorbeeren ins Amt gehoben, sondern ihm auch dann noch den Rücken gestärkt, als die Fehlentwicklungen bereits absehbar waren."

Stadtrat entscheidet über Zukunft des Trierer Theater-Intendanten Karl Sibelius

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