Fußball gegen den Lagerkoller

Trier-Feyen · Die Trierer Asylbewerber haben seit Dezember ein eigenes Fußballteam. Nun haben sie erstmals gegen eine Mannschaft aus Ehrang gespielt. Die jungen Männer beweisen, dass es im Sport nicht nur ums Gewinnen geht.

 Gutes Ballgefühl: Was die Technik angeht, sind manche der Asylsuchenden im roten Trikot den Ehranger Fußballspielern überlegen. TV-Foto: Christian Altmayer

Gutes Ballgefühl: Was die Technik angeht, sind manche der Asylsuchenden im roten Trikot den Ehranger Fußballspielern überlegen. TV-Foto: Christian Altmayer

Trier-Feyen. Abdi ist umzingelt. Drei Spieler versperren ihm den Weg zum Tor. Der junge Somalier wischt sich den Schweiß von der Stirn. Dann läuft er los. Dribbelnd kommt er an dem ersten vorbei. Als die beiden anderen auf ihn zustürmen, wagt er einen Torschuss. Aber der Ball landet nicht im Netz, sondern in einer Wiese, einige Meter vom Spielfeld entfernt.
Auf dem Sportplatz in Feyen kicken heute keine Profis. Doch wie bei einem Bundesligaspiel stehen Spieler aus vielen verschiedenen Ländern auf dem Feld. Unter dem Motto "Kick-Off für Toleranz" tritt die vierte Mannschaft des Fußballvereins Ehrang gegen ein Team aus Asylbewerbern an, die in der Trierer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht sind. Dort leben zurzeit etwa 850 Menschen, 20 von ihnen haben die Möglichkeit, zweimal die Woche in Euren zu trainieren. Abdi ist einer von ihnen.
Schon als Jugendlicher habe er gerne Fußball gespielt, sagt er. Er bedauert es, dass er wegen des Krieges damit aufhören musste. Der junge Mann mit den dunklen Locken stammt aus Mogadischu. In der Hauptstadt Somalias tobt seit Jahren ein Bürgerkrieg zwischen den islamistischen al Shabaab-Milizen und dem Militär des afrikanischen Staates. Vor einem Monat flüchtete Abdi aus seiner umkämpften Heimatstadt nach Frankfurt. Freunde aus Somalia halfen ihm dann nach Trier zu kommen. Seitdem wartet Abdi darauf, dass sein Asylantrag bearbeitet wird. Solche Geschichten können auch die 15 anderen Spieler des Teams erzählen. Sie alle stammen aus Krisenregionen wie Syrien oder Afghanistan, über die Hälfte kommt aus dem Kosovo. Die meisten von ihnen haben eine lange Reise hinter sich. Doch in Trier wird sie nicht enden. Denn hier dürfen sie nur vier bis sechs Wochen bleiben, bevor sie in ein Wohnheim gebracht werden.
Unter diesen Bedingungen sei es schwierig ein Team aufzubauen, sagt Henri Major. Seit Dezember trainiert der 24-Jährige nicht nur das Ehranger Team, sondern auch die Asylsuchenden. Diese Woche hätten wieder zwei starke Spieler die Einrichtung verlassen müssen. Deren Unterstützung hätte die Mannschaft heute gut gebrauchen können: Nach der ersten Halbzeit liegen sie 3:1 hinten.
Vor allem bei der Verteidigung hapert es noch, immer wieder konnten die Gegner sie durchbrechen. Das liege auch daran, dass sie sich untereinander nur schwer verständigen könnten, meint Major. Schließlich sprächen sie verschiedene Sprachen. Technisch seien manche der Asylbewerber ihren Gegnern aus Ehrang allerdings überlegen, aber sie seien als Team nicht eingespielt. Die Zusammenarbeit funktioniere nicht richtig.
Trotzdem herrscht in der Spielpause ausgelassene Stimmung. Ein Spieler ärgert sich darüber, dass das Tor, das er geschossen hat, nicht zählt. "Abseits! Immer ist es abseits!", beschwert er sich und schüttelt den Kopf. Seine Teamkameraden fangen an zu lachen. Dann muss er grinsen.
Auch in der zweiten Hälfte läuft es für die Asylbewerber nicht besser. Sie kassieren fünf weitere Tore. Doch obwohl keiner von ihnen mehr an den Sieg glaubt, laufen sie in den letzten Sekunden tapfer hinter dem Ball her. Alle paar Minuten wechseln sie einen Spieler aus, jeder darf mal auf das Feld, und alle wollen spielen. Für sie sei das Match der Höhepunkt der Woche, sagt Trainer Major. Denn hier könnten sie dem "Lagerkoller" zumindest für eine anderthalbe Stunde entfliehen.
Als der Schiedsrichter in die Pfeife bläst, steht es 8:2 für Ehrang. Um das Ergebnis geht es heute aber nicht, nicht einmal um gewinnen oder verlieren. Nach dem Abpfiff geben sich die Spieler der beiden Teams die Hand, klopfen sich gegenseitig auf die Schulter. Dann trotten sie gemeinsam vom Feld. Für die einen geht es nach Hause, für die anderen zurück in die Erstaufnahmeeinrichtung.
Auch Abdi verlässt den Platz mit einem breiten Grinsen. Dabei steht er heute zum letzten Mal mit seiner Mannschaft auf dem Platz. Bald wird der Somalier in ein Asylheim in der Nähe von Bad-Kreuznach gebracht. Eine Fußballkarriere hätte in Trier sicher nicht auf ihn gewartet. Der junge Mann hat aber auch ganz andere Pläne. Er wolle Schauspieler werden, sagt er, dabei glänzen seine Augen. Die nächsten Monate werden über seine Zukunft entscheiden. Denn ob er sich seinen großen Traum erfüllen kann, hängt davon ab, ob er eine Aufenthaltsgenehmigung bekommt. Wenn sein Antrag abgelehnt wird, muss er zurück nach Mogadischu.

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