Gangster-Rap im Gerichtssaal - Prozess gegen Trierer Drogenring geht weiter

Trier. · Wummernder Gangster-Rap im Hintergrund, in unterster Umgangssprache diskutierende Drogendealer – solche Töne sind normalerweise vor Gericht undenkbar. Doch vor dem Landgericht standen sie gestern im Mittelpunkt der Verhandlung.


Fünf Männer bilden nach Ansicht der Ermittler den größten Trierer Drogenring seit vielen Jahren. Drei sind bereits zu langen Haftstrafen verurteilt worden (der TV berichtete), gegen zwei läuft das Verfahren noch. Knapp 40 Kilo Marihuana soll dieser Ring zwischen 2012 und 2015 von Köln und aus anderen Städten nach Trier geschafft haben, um den Stoff zu verkaufen. Einer dieser beiden Angeklagten, der 21-jährige Trierer Muhammed M., ist am Dienstag immer wieder im Sitzungssaal zu hören. Seine Stimme kommt vom Band. Den Ermittlern ist es gelungen, eine Wanze - ein winziges Aufnahme- und Übertragungsgerät - im Auto des Verdächtigen unterzubringen.

Richter Günther Köhler, die Schöffen, die Staatsanwältin und die beiden Verteidiger hören sich zweieinhalb Stunden lang die Bänder dieser Überwachung an. Sie hören Gespräche über Drogen, Absprachen über Mengen und Transport, Interna aus der Dealerszene, immer wieder unterlegt mit schon geradezu klischeehaftem Gangster-Rap.

Auch Muhammed M. hört zu und widerspricht diesen Aufzeichnungen kein einziges Mal. Es gibt kein Leugnen, keinen Versuch, das Argument "Das da bin ich gar nicht" zu bringen. Es ist die Aufgabe der Gutachterin Anette Korte aus Landau, den Weg des Muhammed M. in die Drogenszene zu beleuchten. "Er leidet definitiv nicht an Psychosen oder Persönlichkeitsstörungen", berichtet die Fachärztin für Psychiatrie.

M. habe eine schwere Kindheit erlebt. Seine Mutter floh mit ihm aus dem Kosovo, die Familie wurde abgeschoben, floh ein zweites Mal und durfte dann in Deutschland bleiben. Die Mutter heiratete wieder, sein Stiefvater schlug ihn, in der Schule war er ein Außenseiter. Mit 15 geriet er in die Drogenszene, mit 18 nahm er regelmäßig Kokain.

"Die Drogen bestimmen sein Leben", sagt die Psychiaterin vor Gericht. "Er will kein Außenseiter mehr sein, sondern der coole Gangster und große Macher. Die Drogen vermitteln ihm genau dieses Gefühl." Auch wenn das Urteil nach jetzigem Stand frühestens am 23. Dezember fallen wird, dreht sich der Prozess jetzt bereits um die Frage, wie es für Muhammed M. weiter gehen kann - mit einer Drogentherapie. Doch M. reagiert zögernd, als der Vorsitzende ihn danach befragt. Die Einweisung in eine Entziehungsanstalt, die Paragraf 64 des Strafgesetzbuchs regelt, scheint ihm weniger zu gefallen als der Grundsatz "Therapie statt Strafe" im Paragrafen 35 des Betäubungsmittelgesetzes. "Ich möchte den richtigen Weg finden und auch mein Studium der Wirtschaftsinformatik fortsetzen."

Der Richter bremst ihn. "Sie haben sich selbst in diese unvorteilhafte Lage gebracht und können das Studium erst einmal abschreiben." Der Prozess soll am 8. und 23. Dezember fortgesetzt werden.

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