Ganz nah am Arbeitsleben "Zu wenig Wirtschaft"

Mit einer Veranstaltung zum Thema "Zukunft Trier - Chance für junge Menschen in Ausbildung und Arbeit" startete die CDU Trier eine Reihe von Sach-Parteitagen. Die Resultate sollen ins kommunalpolitische Programm der Partei einfließen. Städtische Wirtschaftspolitik? Die ist nach Bernhard Kasters Auffassung derzeit "nur sehr wenig wahrnehmbar". Triers CDU-Chef fordert Konsequenzen: OB Jensen soll sich intensiver kümmern - oder den Wirtschafts-Part abtreten.

Trier-Euren. So hautnah am Thema Arbeit war ein CDU-Parteitag noch nie. In der Produktionshalle der Firma Hase Blechverarbeitung (Niederkircher Straße) und bei laufender Spätschicht samt entsprechender Geräuschkulisse lauschten die rund 130 Teilnehmer den Statements von Experten aus der Region."Wirtschaft ist das Thema Nummer eins, das muss im Mittelpunkt stehen", gab Parteichef Bernhard Kaster die Marschrichtung vor. Auch wenn die Arbeitslosenquote (4,2 Prozent in der Region, 5 Prozent in der Stadt Trier) "relativ günstig" sei, so lägen die Einkommen im Raum Trier doch deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.Keine Regel ohne Ausnahme: 1000 Euro Ausbildungsvergütung für einen Drucker im dritten Lehrjahr sind nach dem Geschmack von Wolfgang Raab (Druckereibesitzer und HWK-Vertreter) und Marcus Kleefisch (IHK) "mächtig viel" und möglicherweise für kleinere Betriebe ein Hemmnis - für DGB-Bezirkschef Karl-Heinz Päulgen aber "angemessen - so wie das Gesetz es vorsieht". Weitaus beliebter machte sich Päulgen mit seiner schon mehrfach geäußerten Forderung nach dem "Moselaufstieg", mit der er nicht auf einer Wellenlänge mit anderen prominenten Sozialdemokraten liegt.Den Appell, die Politik solle sich zusammenraufen, um den Anschluss an die A 64 zu schaffen ("das wäre ein Standortvorteil für Trier"), quittierte das Publikum mit Beifall. Eine andere Forderung an die Politik äußerte CDU-Wirtschaftsspezialist Karl Biegel: Die Kammern sollten Einfluss nehmen können, wenn ein Auftraggeber unzufrieden ist mit der Ausführung etwa eines Hausanstriches und deshalb nicht zahlt: "Gutachter und Schlichterstellen sind vorhanden."Wer Französisch spricht, hat's leichter

Ebenfalls vorhanden sind reichlich Angebote des Luxemburger Arbeitsmarkts. Nach den Worten des Politikwissenschafts-Professors Wolfgang H. Lorig (Uni Trier) könnten viele Trierer Uni-Absolventen im Großherzogtum und damit in der Großregion anheuern - wären sie nur gewillt, sich auf die Anforderungen einzustellen. Handwerker sehen das möglicherweise anders: "Ich glaube nicht, dass jeder Betriebsleiter froh wäre, wenn die Azubis Französisch lernen und dann nach Luxemburg abwandern", orakelte Anton Thull, Berufsberatungs-Leiter der Agentur für Arbeit Trier. Unbestritten blieb: Wer Französisch beherrscht, hat es leichter. Bernhard Kaster kündigte an, die CDU wolle sich verstärkt auch um diejenigen bemühen, die keinen Hauptschulabschluss erreichen, und außerdem auf ein "besseres Zusammenspiel von Arbeitswelt und Schulen" hinwirken. Gemäß einstimmigem Beschluss wollen sich die Christdemokraten auch für eine Stärkung regionalspezifischer Wirtschaftsfaktoren einsetzen. Dazu gehöre besonders die Kultur. Trier-Euren. (rm.) Beim Kreisparteitag bemängelte CDU-Chef Bernhard Kaster die Wirtschaftspolitik des Rathauses. Die sei "kaum mehr erkennbar" und "zu wenig wahrnehmbar"0 seit der Abschaffung des Wirtschaftsdezernenten-Postens im April. Vom neuen OB Klaus Jensen, der das Thema Wirtschaft zur Chefsache erklärt hat, gingen zu wenig Impulse aus. Die Stadt brauche aber ein aktives Wirtschaftsdezernat und einen mit seiner uneingeschränkten Arbeitskapazität zur Verfügung stehenden Dezernenten. Diese lapidare Forderung ist ein wesentlicher Bestandteil des Vorstands-Papiers, das der Parteitag ohne Diskussion einstimmig verabschiedete. Die Inhalte sollen in Stadtrats-Anträge einfließen. Auf TV-Nachfrage, ob die CDU nun für eine Wiedereinführung des Wirtschaftsdezernenten-Postens eintrete, wurde Kaster etwas deutlicher : "Nein. Aber der OB muss die Aufgaben anders zuordnen oder die eigenen Prioritäten anders setzen." Heißt im Klartext: Jemand anderen als ständigen Ansprechpartner für wirtschaftliche Anliegen benennen oder sich selber mehr kümmern. Triers Wirtschaftsdezernat hat stets unter christdemokratischer Leitung gestanden. Zuletzt war die inzwischen zur Neumagen-Dhroner Bürgermeisterin avancierte Christiane Horsch Wirtschaftsdezernentin. SPD-Mitglied Jensen hat die OB-Wahl als unabhängiger Kandidat für sich entschieden. Meinung Oben hui, unten wie gehabt Wie gut der neue Besen kehrt, wird sich noch zeigen. Fest steht schon jetzt: Er kehrt öfter. Ein halbes Jahr nach seiner Kür zum Vorsitzenden der CDU Trier macht Bernhard Kaster Ernst. Die Zeit der behäbigen Führungspolitik seines Amtsvorgängers Ulrich Holkenbrink ist endgültig passé. Kaster, der am 1. November 50 wurde, gibt sich betont dynamisch. Mit einer Reihe von Sachparteitagen will er Duftmarken setzen, "dranbleiben" (wie er sagt) und die stärkste politische Partei Triers fit machen für 2009. Dann wird ein neuer Stadtrat gewählt und dann will Kaster erneut per Direktmandat in den Bundestag einziehen. So modern und originell der jüngste Parteitag mit seiner kompakten und durchaus informativen Forumsrunde mit Experten daher kam, so wenig vermochte er über eines hinwegzutäuschen: An der "Sprachlosigkeit" der CDU-Basis hat sich nichts geändert. Nach knapp drei Stunden nickten die Parteigetreuen, die es so lange ausgehalten hatten, das elfseitige Grundsatzpapier des Parteivorstandes diskussions- und widerspruchslos ab. Gastreferent Karl-Heinz Päulgen, DGB-Bezirkschef und Sozialdemokrat, muss sich vorgekommen sein wie im falschen Film. Bei SPD-Parteitagen sorgen notfalls Jusos dafür, dass bei Antragsformulierungen bis ums Komma gefeilscht wird. Triers Christdemokraten könnte mehr Streitkultur und demonstrierte Meinungsfreude nicht schaden. Im Gegenteil. r.morgen@volksfreund.de

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