Geboren im Bunker bei fünf Grad Kälte

TRIER. Insgesamt 13 Kinder sind im ehemaligen Luftschutzbunker in der Talstraße im Trierer Stadtteil Biewer in den Jahren 1944 und 1945, während des Zweiten Weltkrieges, zur Welt gekommen. Während eines Klassentreffens kehrten nun sechs von ihnen an den ungewöhnlichen Ort ihrer Geburt zurück.

"Fliegeralarm", ruft einer von draußen. Die, die sich schon im Eingangsbereich des ehemaligen Luftschutzbunkers in der Biewerer Talstraße aufhalten und neugierig umschauen, lachen. Keine Spur von Beklommenheit, traumatischen Erinnerungen oder gedrückter Stimmung. Im Gegenteil. Die Stimmung ist locker und gelöst unter den 13 ehemaligen Pfalzeler Schulkameraden, die sich an diesem Vormittag in Biewer zum Klassentreffen verabredet haben. Neugierig und wenig melancholisch

Auch die zwei Frauen und vier Männer unter ihnen, die mit dem Besuch des ehemaligen Bunkers nach 60 Jahren zum Teil zum ersten Mal an den ungewöhnlichen Ort ihrer Geburt zurück kommen, sind fröhlich, interessiert und neugierig, aber wenig melancholisch. Wieso auch? "Wir können ja froh sein, dass wir alle überlebt haben. Nur für meine Mutter war es schlimm. Ich habe ja noch einen Zwillingsbruder, der 20 Minuten nach mir geboren wurde. Mein Vater war in russischer Gefangenschaft, aber meine Mutter war gläubig. Es ist Wahnsinn, was diese Frau geleistet hat. Zum Glück hat mein elf Jahre älterer Bruder ihr immer Milch gebracht", erzählt Angela Dünnebier, die am 13. Februar 1945 im Bunker zur Welt gekommen ist. Ihr Zwillingsbruder Peter Hoffmann wohnt heute in Australien. Auch er ist da. "Ganz toll", zeigt sich eine ehemalige Klassenkameradin beeindruckt. Von dem insgesamt 176 Meter langen Luftschutzstollen dürfen die Besucher heute nur mit einer Sondergenehmigung der Feuerwehr den mit einem lautstarken Stromgenerator von außen beleuchteten, unmittelbaren Eingangsbereich betreten. Aus "gefahrentechnischen Gründen". Der höhlenähnliche Eingang ist rund acht Meter hoch. Nur ein schmaler, fußbreiter Pfad auf der linken Seite führt auf etwa zehn Metern weiter ins Innere und endet nach 25 bis 30 Metern in einer leichten Rechtskurve. "Ab dort ist der Sandsteinstollen zweigeschossig. Er war in sechs Bereiche aufgeteilt", erklärt Egon Thull, der vor drei Jahren einen Film über den Biewerer Bunker gedreht hat. Im hinteren Eingangsbereich liegen auf einer Holzpalette ungefähr 15 Sandsäcke der Biewerer Feuerwehr. Unmittelbar am Eingang türmt sich in der Mitte ein kleiner Sandsteinfelsen, auf dem das kleine weiße Rettungsboot "St. Jost" für Hochwasserfälle abgestellt ist. Rechter Hand ein altes provisorisches Absperrgitter. Dahinter türmen sich Abfälle aus Holz und Stein. Die Baumstämme sind zum Teil von Schimmelpilzen befallen, was einem bei längerem Sprechen merklich auf die Atemwege schlägt. Es ist kühl. "Hier drin ist es, ob Sommer oder Winter, immer fünf Grad Celsius warm. Oder kalt", gibt Hendrik Kirsch von der Biewerer Feuerwehr Auskunft, der an diesem Vormittag zusammen mit zwei Kollegen den Besuch der kleinen Gruppe überwacht. "Im äußersten Notfall hätten hier 600 Menschen Platz gehabt. Unvorstellbar ist, wie alle gerannt sind, vor allem die Mütter, wenn wieder eine Sirene ging", so der 72-jährige Leo Heidt, der als damals zehnjähriger Junge im Gegensatz zu den Bunkerkindern ein Zeitzeuge mit lebhaften Erinnerungen ist.Trotz Räumungsbefehle in Biewer geblieben

Vor allem nachts seien sie hier gewesen, erzählt er. Heidt gehört damit zu den Bürgern, die trotz der Räumungsbefehle, die Gauleiter Gustav Simon zum ersten Mal im Dezember 1944 angeordnet hatte, in Trier geblieben waren. Alle Zivilpersonen ohne den so genannten roten Aufenthaltsausweis sollten die Stadt bis zum 20. Dezember verlassen. Doch trotz der immer größer werdenden Gefahr durch Luftangriffe und Artilleriebeschuss ist schätzungsweise ein Viertel der Biewerer Bevölkerung im Stadtteil geblieben, wie Heimatforscher Karl Fuhrmann recherchiert und in seinem Buch über den "Biewerer Luftschutzbunker" festgehalten hat. Der Entschluss zu bleiben hing demnach für viele mit den relativ guten Schutzgelegenheiten im Biewerer Stollen zusammen und der Möglichkeit, sich selbst nach jedem Angriff mit Lebensmitteln zu versorgen. "Wir hatten eine schöne Kindheit und haben als Höhlenkinder oft mit Kerzen und Fackeln in der Pfalzeler Wallmauer gespielt", sagt Hans Cordel als ehemaliges Bunkerkind.

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