Gegen das Vergessen schreiben

TRIER-NORD. (cofi) Ungerechtigkeiten kann Gertrud Trierweiler-Schwickerath ebenso wenig vertragen wie Unfreiheit. Diese Einstellung hat sie Zeit ihres Lebens beibehalten, auch in Situationen, als es gravierende Folgen haben konnte, wenn man nicht der Obrigkeit gehorchte.

Gerne erinnert sich die heute 88-Jährige an ihre Kindheit zurück. Als jüngstes von fünf Kindern wuchs sie als Arzttochter behütet auf. Ihr Vater arbeitete im Brüderkrankenhaus als Chefarzt der Heil- und Pflegeanstalt und lebte mit seiner Familie im Diensthaus an der Ecke Nordallee/Lindenstraße. Ein Foto, das Gertrud Trierweiler lange und gerne betrachtet, zeigt ihre vier Geschwister mit typischen Spielzeugen jener Zeit, ihren zeitunglesenden Vater mit dem dicken, schwarzen Schnäuzer, die Mutter mit einigen durch die Kriegserlebnisse in ihr Gesicht geschriebenen Sorgenfalten und das Kindermädchen Johanna, das gerade mit einem Tablett voller Erfrischungen aus dem Haus in den Garten tritt. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1916, als Gertrud noch nicht geboren war. "Wenn man sich erinnert, lebt man zweimal", sagt die alte Dame. Ihre Erinnerungen an ihr Elternhaus und an die Mosel, den Fluss, in dem sie schwimmen lernte und der regelmäßig über seine Ufer trat, hat sie in zwei Aufsätzen im Neuen Trierischen Jahrbuch 1995 und 2000 veröffentlicht. Viele Erlebnisse, denen sie Ausdruck verleihen möchte, bewahrt sie allerdings noch in ihrem Gedächtnis. Ihr Vater sei gegen den Nationalsozialismus eingestellt gewesen. Als Hitler während eines Trier-Besuchs mit Spektakel durch die Nordallee gefahren kam, habe der Vater seine Kinder mit den Worten vom Fenster weggerufen, dass man sich einen "solchen Verbrecher" nicht anschaue. Das habe sie geprägt, und "in diesem Sinne habe ich weitergelebt", sagt die 88-Jährige. Die Willkür der Nazis habe sie hautnah miterlebt. Allerdings sei ihr nie etwas geschehen. Sie habe einen guten Schutzengel gehabt. Denn die junge Gertrud Schwickerath weigerte sich, in den Nationalsozialistischen Studentenbund einzutreten. Auch an die Kriegs- und Nachkriegszeit hat die 88-Jährige viele Erinnerungen, mit denen sie ganze Bücher füllen könnte. Das gilt auch für ihre Hochzeit und ihr Leben mit dem Trierer Bildhauer Michael Trierweiler. Ihre beste Freundin aus Jugendtagen war Anneliese, die den Sohn von Peter Koch heiratete. Koch war neben seinem Bruder Nicola zwischen 1904 und 1935 Mitverleger und Hauptschriftleiter des Trierischen Volksfreunds. "Peter Koch war eine bedeutende Persönlichkeit, ist aber fast nie in einer Chronik erwähnt worden. Das ärgert mich", sagt Trierweiler. Dem 1956 Verstorbenen und seiner Arbeit will sie ein ehrendes Andenken schaffen, das sie bislange vermisste. "Das ist mein Bestreben", sagt sie.

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